RECHT UND KAPITALMARKT

Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen im Kreuzfeuer

Mit Berufspflichtverletzung als Strafbarkeitskriterium auf dem Irrweg

Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen im Kreuzfeuer

Von Hans-Hermann Aldenhoff *)Im Juli 2015 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vorgelegt. Die erste Lesung im Bundestag erfolgte im November, für Januar ist die Verabschiedung des Gesetzes geplant. Dieses soll als § 299 a StGB Einzug in das Strafgesetzbuch finden und eine Strafbarkeitslücke im Bereich der Korruption im Gesundheitswesen schließen.Nach dem Kabinettsentwurf macht sich strafbar, “wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial,1.einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt oder2.seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt.”Bereits der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums war auf heftige Kritik gestoßen. Auch der geänderte Entwurf ist im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken weiterhin problematisch. Die Hauptkritik richtet sich gegen die zweite Tatbestandsalternative, die die Strafbarkeit der Verletzung der “berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit” regelt. Denn diese Bezugnahme genügt dem in Art. 103 Abs. 2 GG statuierten Bestimmtheitsgebot nicht. Für den Normadressaten ist nicht ersichtlich, welche Pflichtverletzungen eine Strafbarkeit begründen. Um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, müssen die Strafbarkeitsvoraussetzungen jedoch so konkret umschrieben werden, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände aus einem förmlichen Gesetz ersichtlich sind.Problematisch ist insoweit zunächst, dass die Berufsordnungen etwa bei Ärzten von der jeweiligen Landesärztekammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Form der Satzung verabschiedet werden. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit werden folglich nicht von dem dazu berufenen Gesetzgeber, sondern von anderen Normgebern festgelegt und stellen damit keine förmlichen Gesetze dar.Die unterschiedliche Umsetzung der Berufsordnungen in den Kammerbezirken hat zur Konsequenz, dass die zweite Tatbestandsalternative auch gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Denn die zu befürchtenden, im Extremfall “regionalen” Unterschiede in der Strafbarkeit nach §§ 299 a, 299 b StGB beruhen nicht auf einem vom Grundgesetz geforderten sachlichen Differenzierungskriterium, sondern allein darauf, welche Kammer jeweils verantwortlich zeichnet. Dies ist schon im Ansatz kein geeignetes Kriterium, da für den Bereich des Freiheitsentzuges besondere Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung gestellt werden müssen.Zudem besteht kein gesetzgeberischer Anlass, über die erste Tatbestandsalternative hinaus, die auch systematisch richtig an die Wettbewerbsdelikte anknüpft, weitere Regelungen zu treffen. Vermeintliche Strafbarkeitslücken in einer Konstellation, in der der Vorteilsgeber eine Monopolstellung einnimmt, sind im Gesundheitswesen realitätsfern, da in der Praxis zu jeder Behandlungsmethode eine Alternative besteht. Bei medizinisch nicht indizierten Versorgungen sind außerdem regelmäßig die Tatbestände des Betruges und/oder der Körperverletzung verwirklicht, so dass es einer weitergehenden strafrechtlichen Regelung nicht bedarf.Auch an anderer Stelle schüttet der Entwurf das Kind mit dem Bade aus: Die Kooperation zwischen Heilberufen und Industrie oder sogenannte Homecare-Unternehmen dient in erster Linie einer strukturierten und qualitätsgesicherten Patientenversorgung und ist politisch, sozial- und berufsrechtlich gewollt. Daher sollte der Gesetzeswortlaut klarstellen, dass als hinreichender Anfangsverdacht das alleinige Bestehen solcher Kooperationen nicht ausreicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann für die bestehenden Korruptionsdelikte (also §§ 299 ff. StGB) schon der Vertragsschluss einen strafrechtsrelevanten Vorteil darstellen. Träfe dies auch im Gesundheitswesen zu, liefe man Gefahr, die gewollte Zusammenarbeit unter Generalverdacht zu stellen. Antragsrecht der KassenSchließlich ist auch auf den potenziellen Interessenkonflikt durch die Einräumung eines Strafantragsrechts der Kranken- und Pflegekassen nach dem im Gesetzentwurf enthaltenen § 301 Abs. 2 Nr. 2 c StGB hinzuweisen. Zwar ist die Ausgestaltung als sogenanntes relatives Antragsdelikt zu befürworten, da sie der Systematik der Wettbewerbsdelikte gerecht wird. Indes muss beachtet werden, dass Kranken- und Pflegekassen auch Vertragspartner der Heilberufe und der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie mit divergierenden ökonomischen Interessen sind. Um einem Missbrauch des Strafantragsrechts als Druckmittel vorzubeugen, sollten zivil- und strafrechtliche Reaktionsmöglichkeiten eröffnet werden.—-*) Dr. Hans-Hermann Aldenhoff ist Leiter der deutschen Büros von Simmons & Simmons.