SCHULDENBREMSE

Debatte am falschen Ende

Die große Koalition führt einen neuen Streit, aber an der falschen Front. Soll die Schuldenbremse beim Bund für eine logische Sekunde ausgesetzt werden, um hoch verschuldete Kommunen von ihren finanziellen Altlasten zu befreien? Bundesfinanzminister...

Debatte am falschen Ende

Die große Koalition führt einen neuen Streit, aber an der falschen Front. Soll die Schuldenbremse beim Bund für eine logische Sekunde ausgesetzt werden, um hoch verschuldete Kommunen von ihren finanziellen Altlasten zu befreien? Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die SPD sind dafür. Wehret den Anfängen, warnt die Union und ist strikt dagegen: Ist die Schuldenbremse erst einmal gelockert, lässt sich dies beliebig oft für viele denkbar gute Zwecke wiederholen. Die Disziplin wäre dahin. Scholz hat einen guten Zweck im Sinn. Besonders hoch verschuldete Kommunen sollen wieder investieren können. Eigentlich will er die Investitionsbremse lockern. Schon im Herbst hat er angeboten, dass der Bund die Hälfte der Altschulden von 40 bis 50 Mrd. Euro schultert. Scholz zielt auf die Stelle, wo die öffentliche Hand hierzulande am meisten investiert: in Städten und Gemeinden.Viel wichtiger als die Frage, ob die Schuldenbremse gelöst wird, ist aber eine tragfähige Lösung für das Problem, das dahintersteht. Rund 2 500 der rund 11 000 Kommunen haben so hohe Altschulden, dass sie ohne fremde Hilfe davon nicht loskommen. Sie liegen vor allem in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland. Eigentlich dürften Kommunen überhaupt keine Schulden haben, da sie mit Kredit nur Liquidität beschaffen dürfen. Diese Kassenkredite sind zweckentfremdet worden.Laut Grundgesetz ist es Aufgabe der Länder, sich um die Finanzen der Kommunen zu kümmern: über die Finanzaufsicht, die Dotierung mit Landesmitteln sowie Regelungen des Finanzausgleichs zwischen reichen und armen Kommunen. Länder wie Niedersachsen und Bayern haben dies getan. Hessen und das Saarland haben Regime entwickelt, um das Altschuldenproblem zu lösen. Die Zeit niedriger Zinsen ist dafür günstig. Wichtiger als alles andere ist es, einen Mechanismus zu etablieren, der – nach einer möglichen Teilentschuldung durch den Bund – die Länder streng in die Pflicht nimmt. Schwierig wird es sein, einen Ausgleich zwischen den Ländern zu finden. Sollen die bestraft werden, die ein striktes Finanzregime geführt haben? Wird vom Bund belohnt, wer spendabel war? Mit der Forderung nach Solidarität lässt sich das nicht allein beantworten. Es geht auch um Zuständigkeit und Verantwortung der Länder – besonders in der Zukunft. Ob der Bund am Ende die Schuldenbremse kurzzeitig löst, steht erst am Ende aller ungelösten Fragen. Wenn die Union nicht mitmacht, ist Scholz ohnehin machtlos.