IM BLICKFELD

Devisenkartelle waren nur die Spitze des Eisbergs

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 7.6.2019 Mit 90 Mill. sfr bestraft die schweizerische Wettbewerbskommission (Weko) sechs internationale Großbanken wegen Kartellabsprachen im Devisenhandel. Erst Mitte Mai hatte die EU-Wettbewerbsbehörde...

Devisenkartelle waren nur die Spitze des Eisbergs

Von Daniel Zulauf, ZürichMit 90 Mill. sfr bestraft die schweizerische Wettbewerbskommission (Weko) sechs internationale Großbanken wegen Kartellabsprachen im Devisenhandel. Erst Mitte Mai hatte die EU-Wettbewerbsbehörde dieselben sechs Adressen mit Strafen von insgesamt über 1 Mrd. Euro belegt.Die Differenz ist kleiner, als sie auf den ersten Blick erscheint. Der Euro ist die am zweitmeisten gehandelte Währung der Welt (vgl. Grafik). Im Vergleich zum Franken werden täglich sechs- bis siebenmal mehr Euros umgetauscht.Wie die EU-Kommission haben die Schweizer gerade einmal zwei Kartelle ausfindig gemacht, in denen sich Händler über die Wechselkurse in verschiedenen Währungspaaren zugunsten ihrer Banken und zuungunsten der Kunden abgesprochen haben.Zu Beginn der 2014 eröffneten Untersuchung seien die Verdachtsmomente breiter gewesen, räumt Weko-Direktor Patrik Ducrey ein. Aber man habe sich im späteren Verlauf auf die Beweisbarkeit konzentrieren müssen. Bewiesen ist, dass die sechs bestraften Banken (Barclays, Citigroup, J.P. Morgan, Royal Bank of Scotland, UBS und Mitsubishi Financial Group) zwischen 2007 und 2013 im “Essex Express” und im “Three-Way Banana Split” kolludierten und ihre Handelsstrategien über verschiedene Online-Chaträume koordinierten. Um die Täter überführen zu können, wertete die Weko in enger Abstimmung mit der EU-Behörde 77 Millionen Seiten elektronische Kommunikation aus den Chaträumen aus. Die Untersuchungen hätten sich als “sehr komplex” erwiesen, schreibt die Weko.Ohne die Mitwirkung der involvierten Banken wären sie mit Sicherheit auch heute noch nicht abgeschlossen. Wie schon in den USA und in der EU tat sich die UBS mit der ersten Selbstanzeige als Kronzeugin hervor. Dafür geht sie auch in der Schweiz straffrei aus. In der EU entging die Bank so einer Buße von 2,5 Mrd. Euro. Wie teuer die Rechnung in der Schweiz geworden wäre, hat die Weko nicht berechnet. Auch andere Banken kamen aufgrund der einvernehmlichen Regelung mit der Weko in den Genuss von Strafreduktionen. Zu deren Höhe macht die Weko keine Angaben.Zu vermuten ist indes, dass die aufgedeckten Kartelle nur die Spitze eines viel größeren Eisberges darstellen. So hatte schon vor sechs Jahren eine in der Schweiz vorgenommene wissenschaftliche Untersuchung zu Anomalien in den Devisenkursen den Verdacht auf weit verbreitete Manipulationen im mit Abstand volumenstärksten Segment des globalen Finanzmarktes genährt. Großes ErstaunenDie Forscher hatten festgestellt, dass die vermeintlich hyperliquiden Devisenmärkte in bestimmten Phasen gar nicht so liquide sind wie gemeinhin angenommen. Ein Grund dafür ist, dass Devisen auf verschiedenen Plattformen gehandelt werden. Die Forscher stellten zu ihrem eigenen großen Erstaunen fest, dass die Differenzen zwischen Kauf- und Verkaufskursen zwischen den Plattformen teilweise stark voneinander abwichen. So ermittelten sie einen statistischen Zusammenhang dieses Spreads im Währungspaar Franken/Dollar von lediglich 0,25. Der statistische Wert besagt, dass eine Veränderung auf der einen Plattform auf der anderen Plattform nur zu einem Viertel nachvollzogen wird. In einem liquiden Markt, in dem eine effiziente Preisbildung erfolgt, müsste man einen nahezu vollständigen Zusammenhang erwarten.Die Liquidität nimmt weiter ab, wenn die Marktteilnehmer ein besonders hohes Maß an gleichgerichtetem Verhalten zeigen. Das ist dann der Fall, wenn sich ein Fenster für ein besonders lukratives Geschäft öffnet. Ein typisches Beispiel sind die sogenannten Carry Trades, mit denen sich Akteure im Land A Geld zu tiefen Zinsen borgen, um es im Land B zu höheren Zinsen kurzfristig anzulegen. Beliebt waren solche Carry Trades mitunter vor Beginn und in den Anfängen der Finanzmarktkrise, also in jener Zeit, in die auch die nachgewiesenen Manipulationen fielen.Die Untersuchung wies nach, dass die Liquidität der Devisenmärkte in jenen Zeiten mit einem Faktor von bis zu 20 geringer war als in normalen Zeiten. Dementsprechend war auch die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskursen ungewöhnlich hoch. Aus den Spreads ziehen die Banken ihre Profite. Je größer sie sind, desto lukrativer ist der Handel.Die Vermutung liegt also auf der Hand, dass die Forscher schon Jahre vor den Wettbewerbsbehörden einem globalen Devisenkartell auf die Schliche kamen. Zu den leidtragenden Kunden der Banken gehörten die Notenbanken und allen voran die Schweizerische Nationalbank, die in den vergangenen zwölf Jahren einen Devisenbestand von über 750 Mrd. sfr angehäuft hat.Eine Wertung des Devisenkartells wollte die SNB auf Anfrage nicht vornehmen. Immerhin sagte ihr Direktionspräsident Thomas Jordan 2014 in einem Interview mit der “Basler Zeitung”: “Schwer wiegt aus volkswirtschaftlicher Sicht vor allem die Erschütterung des Vertrauens in die Finanzmärkte und in die Banken. Die Manipulationen untergraben das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Preisbildung und damit stellen sie auch das gute Funktionieren der Marktwirtschaft infrage.”