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Bytedance bläst Börsengang ab

Der Internetkonzern Bytedance, der unter anderem die Kult-Videoapp Tiktok betreibt, muss seinen Börsengang kurzfristig abblasen. Regulatorische Hemmnisse werden als Grund angeführt.

Bytedance bläst Börsengang ab

nh Schanghai

Nach wochenlangen Spekulationen um einen unmittelbar bevorstehenden Börsengang des chinesischen Internetriesen Bytedance hat der Betreiber von Social-Media-Plattformen, darunter die Kult-Videoapp Tiktok, nun die klare Ansage gemacht, dass ein Initial Public Offering (IPO) vorerst nicht in Frage kommt. In einer kurzen Mitteilung der Gesellschaft heißt es, man erfülle gegenwärtig nicht die regulatorischen Anforderungen für ein öffentliches Listing.

Bytedance lässt allerdings offen, ob sich diese Aussage auf einen bestimmten wunschmäßig angesteuerten Börsenplatz bezieht. Theoretisch würde die Gesellschaft sowohl an einer der New Yorker Börsen als auch an der Hong Kong Exchanges oder dem Shanghai Star Market zumindest seitens der Anleger mit offenen Armen aufgenommen werden. Jedoch scheint es eine ganze Reihe von Hindernissen zu geben, die sowohl mit der derzeit laufenden Regulierungskampagne gegen chinesische Technologiefirmen im eigenen Land als auch heftigen bilateralen Spannungen zwischen China und den USA und Washingtoner Restriktionen gegenüber chinesischen Techfirmen in Verbindung stehen.

Analysten messen Bytedance einen impliziten Börsenmarktwert zwischen 250 und 300 Mrd. Dollar zu, damit hätte die Gesellschaft ein Kaliber, das auch in Sachen Kapitalaufnahme einen der weltgrößten Börsengänge im Technologiesektor erlauben dürfte. Allerdings hatte die Gesellschaft bislang nicht durchblicken lassen, ob sie als gesamtes Ensemble einen Aufschlag an der Börse zu wagen bereit ist oder eher an eine Separierung beziehungsweise getrennte Börsenexistenzen ihres internationalen und chinesischen Geschäfts denkt.

Weil Bytedance jedoch im Gegensatz zu fast allen anderen chinesischen Internetriesen nicht auf einen chinesischen Kundenkreis be­schränkt ist, sondern mit Tiktok globale Erfolge feiert, tun sich besondere Schwierigkeiten im Spannungsfeld zwischen China und den USA auf. So war Bytedance gegen Ende der Regierungszeit von Donald Trump auf die Liste der von Washington wegen Sicherheitsrisiken angefeindeten chinesischen Unternehmen geraten. Dabei wurde Byte­dance unterstellt, möglicherweise auf Druck der chinesischen Regierung Kundendaten von amerikanischen Tiktok-Nutzern missbrauchen zu können. Als Abhilfe hatte die US-Regierung­ einen zumindest partiellen Abverkauf des US-Geschäfts von Bytedance an eine US-Adresse verlangt und mit einer Nutzungssperre für Tiktok in den USA gedroht.

Tiktok hatte tatsächlich einen Übernahmedeal für das US-Geschäft mit einer Reihe von Interessenten, darunter insbesondere Microsoft und Oracle verhandelt, war aber zu keiner Übereinkunft gekommen. Gleichzeitig wurde die Problematik zumindest vorläufig dadurch entschärft, dass von Bytedance eingeschaltete US-Gerichte die von Washington angedachte Sperre und Sicherheitsproblematik als gegenstandslos erklärten. Derzeit ist noch unklar, ob Bytedance von der neuen US-Regierung um Präsident Joe Biden erneut ins Fadenkreuz genommen wird und mit Sicherheitsbedenken oder Separierungswünschen konfrontiert wird.

Strukturproblem

Entsprechend schwierig gestaltet es sich für Tiktok, eine Geschäftsstruktur im Abgleich zwischen internationalem und chinesischem Geschäft zu finden, mit der man gerade als Börsenkandidat nicht in einem der beiden Länder aneckt. Dahinter steckt vor allem die Problematik, dass Tiktok, die im chinesischen Markt unter dem Namen Douyin auftritt und dort ebenfalls zu den populärsten Apps gehört, dort unter strenge Zensurauflagen der chinesischen Regierung fällt und separat reguliert wird. Gleichzeitig aber werden Tiktok und Douyin von den gleichen cleveren Algorithmen gesteuert, die den Videodienst weltweit zu einer Sensation gemacht haben. Hier ist gegenwärtig nicht ersichtlich, wie sich Tiktok und Douyin in voneinander unabhängige Gesellschaften trennen lassen würden, ohne an Wert zu verlieren.