Bankenfusionen

Eine Frage des Timings

ING, BNP Paribas, Unicredit: Zuverlässig wie vom Glockenspiel am Münchener Marienplatz bekommt die Öffentlichkeit seit Jahren dieselben Banken der Reihe nach als an der Commerzbank interessiert präsentiert.

Eine Frage des Timings

ING, BNP Paribas, Unicredit: Zuverlässig wie vom Glockenspiel am Münchener Marienplatz bekommt die Öffentlichkeit seit Jahren dieselben Banken der Reihe nach als an der Commerzbank interessiert präsentiert. Derzeit zieht Unicredit die Blicke auf sich. Laut „Financial Times“ plante ihr Chef Andrea Orcel zu Jahresbeginn informelle Gespräche mit Commerzbank-Chef Manfred Knof, bevor die Invasion Russlands in die Ukraine dies zunichte machte. Kurz zuvor hatte er dem „Spiegel“ zur Frage einer Übernahme gesagt: „Es gab hierzu immer viele Gerüchte, aber so etwas ist auch eine Frage des Timings.“

Dieses darf rückblickend als ebenso missglückt gelten wie Orcels noch vor Monaten angestellte Überlegungen, in Russland zuzukaufen. Derzeit wird es in Mailand in erster Linie um einen mehr oder weniger geordneten Rückzug aus dem Land des Aggressors gehen: Im Startquartal hat das Engagement dort der Bank Belastungen von knapp 2 Mrd. Euro beschert; und wie schmal die Erlöse ausfallen, wenn Sanktionen Notverkäufe in Russland diktieren, haben Banken wie Société Générale gerade erfahren. Orcels ebenfalls von der „Financial Times“ ventilierter Plan eines Tauschs von Anteilen mit russischen Geldhäusern, um potenziell milliardenschwere Abschreibungen zu verhindern, klingt da zu schön, um zu glücken. So sieht keine Bank aus, die zu einer großen Übernahme ansetzt. Und dies gilt im Übrigen auch für ING, die gerade mit hohen Belastungen aus ihrem Russland-Geschäft kämpft, und für BNP Paribas, die im Zweifel organisches Wachstum größeren Übernahmen vorzieht. Als Chef einer Bank kann man den lieben langen Tag derzeit nicht nur mit Themen wie Russland-Risiken gestalten, sondern etwa auch mit den Folgen der Zinswende oder mit den Effekten einer galoppierenden Inflation auf die Kostenbasis.

Die Voraussetzungen für grenzüberschreitende Fusionen haben sich in den vergangenen Jahren kaum geändert, auch wenn Europas Bankenaufsicht solche Deals mittlerweile herbeizubeten versucht: Russlands Angriff auf die Ukraine mag Europas Politik einen, wenn es um Sanktionen geht – zu einer Kapitalmarkt- oder einer Vertiefung der Bankenunion reicht der Konsens dann doch wieder nicht. Das Bekenntnis, eigenständig bleiben zu wollen, kostet die Commerzbank daher nicht viel: Momentan will sie ohnehin niemand kaufen. Und bis es so weit sein wird, die Wette sei gewagt, werden ING, BNP Paribas und Unicredit noch das eine oder andere Mal defilieren.

     (Börsen-Zeitung,

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