RECHT UND KAPITALMARKT

USA erweitern Investitionskontrolle

Ausschuss für ausländische Investitionen CFIUS erhält mehr Zugriffsrechte - Verpflichtende Anmeldung bestimmter Transaktionen

USA erweitern Investitionskontrolle

Von Christoph Barth, Kristina Klaaßen-Kaiser und Sebastian Klingen *)Verstärkt durch die Covid-19-Pandemie hat die Investitionskontrolle bei M&A-Transaktionen in jüngster Zeit global erheblich an Bedeutung gewonnen. Das US-amerikanische Regime war bereits zuvor sehr etabliert und fungierte bei vielen der jüngsten Reformen anderer Investitionskontrollregime als Vorbild.In den USA werden Investitionskontrollverfahren vom Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) geführt, einem ressortübergreifenden Ausschuss der US-Regierung, dessen Aufgabe es ist, zu prüfen, ob bestimmte ausländische Investitionen die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika bedrohen.Auch die praktische Bedeutung von CFIUS hat jüngst noch einmal deutlich zugenommen. Grund hierfür war unter anderem die wirtschafts- und industriepolitische Ausrichtung der Trump-Administration. So wurden vier der bisher sieben von CFIUS initiierten Untersagungen von Präsident Trump erlassen. Ferner wurde der Anwendungsbereich der US-Investitionskontrolle durch den Foreign Investment Risk Review Modernization Act of 2018 (FIRRMA) und die Anfang 2020 von CFIUS erlassenen endgültigen Durchführungsbestimmungen (im Folgenden als die “Neuregelung” bezeichnet) nochmals erweitert.Die Zuständigkeit von CFIUS erstreckt sich auf die Überprüfung jeglicher M&A-Transaktionen, einschließlich einzelvertraglicher Erwerbe, öffentlicher Übernahmen, Verschmelzungen, Joint Ventures sowie gewisser langfristiger schuldrechtlicher Vereinbarungen.Während es bisher Voraussetzung war, dass ein ausländischer Investor die Kontrolle über ein US-Unternehmen erwarb, werden nach der Neuregelung Investitionen in bestimmte US-Unternehmen unabhängig von einem Kontrollerwerb erfasst. Dies gilt, sofern das betroffene US-Unternehmen kritische Technologien oder kritische Infrastruktur besitzt, betreibt, produziert oder entwickelt oder sensible persönliche Daten von US-Bürgern bereithält oder sammelt (sogenannte “TID-Unternehmen”). Ferner muss der ausländische Investor (a) Zugang zu wesentlichen nichtöffentlichen technischen Informationen, (b) Zugang zum Management des US-Unternehmens (bspw. durch Nominierungsrechte) oder (c) wesentlichen Einfluss auf den Umgang mit kritischen Technologien, kritischer Infrastruktur oder sensiblen persönlichen Daten von US-Bürgern erhalten.Darüber hinaus wurde die Zuständigkeit von CFIUS auf den Erwerb und die Miete von Grundvermögen erweitert, sofern es sich (a) um Flug- oder Seehäfen handelt oder (b) in der Nähe von Militär- oder anderen sensiblen Einrichtungen der US-Regierung befindet. Vor der Neuregelung war CFIUS nur dann befugt, Fragen der nationalen Sicherheit im Zusammenhang mit Grundvermögen zu prüfen, wenn dieses sich im Eigentum oder Besitz eines US-Unternehmens befand, das Gegenstand eines Kontrollerwerbs durch eine ausländische Person war.CFIUS ist allerdings ermächtigt, Investoren aus bestimmten Staaten von dem auf TID-Unternehmen und Immobilieninvestitionen erweiterten Anwendungsbereich auszunehmen. Neben konkreten Anforderungen an die Person des Investors muss dieser insbesondere aus einem “berechtigten” Land kommen. Bislang wurde dieser Status nur Australien, Kanada und dem Vereinigten Königreich zuerkannt, es ist aber – gerade im Hinblick auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen – zu erwarten, dass die Liste der als berechtigt anerkannten Länder erweitert wird. Ab Februar 2022 muss ein Land, um “berechtigt” zu sein, allerdings selbst ein korrespondierendes Investitionskontrollregime und Prozesse zur Koordinierung mit den Vereinigten Staaten implementiert haben. Dies gilt bislang nicht für das Vereinigte Königreich. Allerdings wurde dort kürzlich ein Gesetzesentwurf für ein Investitionskontrollregime veröffentlicht.Vor Inkrafttreten der Neuregelung gab es keine Anmeldepflicht. Das CFIUS-Verfahren wurde daher in der Regel durch freiwilligen Antrag der Transaktionsparteien oder aber von Amts wegen durch CFIUS eingeleitet. Die Neuregelung sieht eine verpflichtende Anmeldung vor, wenn im Zuge einer in die Zuständigkeit von CFIUS fallenden Transaktion (a) mindestens 25 % der Stimmrechte an einem TID-Unternehmen durch einen ausländischen Investor erworben werden, an dem wiederum ein ausländischer Staat mit mindestens 49 % der Stimmrechte beteiligt ist oder (b) in ein US-Unternehmen investiert wird, das eine oder mehrere kritische Technologien produziert, testet oder entwickelt, für deren Export oder Übertragung an den Investor eine regulatorische Genehmigung nach US-Recht erforderlich wäre.Ferner sieht die Neuregelung die Möglichkeit einer Anmeldung in Kurzform vor, die von CFIUS innerhalb von 30 Kalendertagen zu prüfen ist. Innerhalb dieser Frist kann CFIUS entweder eine (deutlich umfangreichere) vollständige Anmeldung verlangen oder von Amts wegen ein umfassendes Prüfverfahren einleiten, den Parteien mitteilen, dass die Transaktion nicht in die Zuständigkeit von CFIUS fällt oder die Transaktion freigeben. Ferner kann CFIUS den Parteien mitteilen, dass aufgrund der in der Kurzform-Mitteilung enthaltenen Informationen keine abschließende Prüfung möglich ist (sogenannter CFIUS Shrug). Da in diesem Fall keine umfassende Anmeldung verlangt wird, ist zugleich indiziert, dass CFIUS nach aktuellem Kenntnisstand kein Interesse an einer weiteren Prüfung hat. Es ist dann den Parteien überlassen, aus Gründen der Rechtssicherheit eine vollständige Anmeldung einzureichen oder die Transaktion ohne Freigabe zu vollziehen. Auswirkung auf M&A-PraxisWird eine umfassende Anmeldung eingereicht, beginnt eine 45-tägige Vorprüfungsphase, innerhalb derer CFIUS mitteilt, ob aufgrund nationaler Sicherheitsrisiken eine Hauptprüfungsphase von weiteren 45 Kalendertagen (die um 15 Kalendertage verlängert werden kann) eingeleitet oder die Transaktion freigegeben wird. Bei einer umfassenden Anmeldung ist zugleich eine transaktionswertabhängige Anmeldegebühr von bis zu 300 000 Dollar zu zahlen. Können bestehende Sicherheitsbedenken auch im Rahmen einer Hauptprüfung nicht ausgeräumt werden und wird die Anmeldung nicht zurückgenommen, so legt CFIUS den Fall dem US-Präsidenten vor.In der Praxis ist wie bereits vor der Neuregelung zu prüfen, ob der Zuständigkeitsbereich von CFIUS eröffnet ist. Hinzu kommt eine in jüngster Zeit stark zunehmende Zahl von Investitionskontrollverfahren in anderen Ländern. So haben seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie 57 % der OECD-Mitgliedstaaten ihr Investitionskontrollregime überarbeitet oder entsprechende Gesetzgebungsverfahren initiiert. Mit Blick auf die USA ist nach der Neuregelung zudem zu prüfen, ob eine Anmeldepflicht besteht, und ggf. der erfolgreiche Abschluss des CFIUS-Prüfverfahrens als vertragliche Vollzugsbedingung vorzusehen. Aber auch wenn keine Anmeldepflicht besteht, kann es sich anbieten, eine Vollzugsbedingung zu vereinbaren, um Rechtssicherheit zu erlangen.Ist die Transaktion nach Auffassung der Parteien grundsätzlich unbedenklich, bietet sich eine Kurzform-Mitteilung an, die nicht nur den Vorteil der kürzeren Prüffrist hat, sondern anders als eine umfassende Anmeldung auch keine Anmeldegebühr auslöst. Sind im konkreten Fall ohnehin andere regulatorische Verfahren durchzuführen, sprechen jedenfalls weder zeitliche Erwägungen noch Kostengesichtspunkte gegen eine Kurzform-Mitteilung. Vielmehr mag eine solche gerade im Hinblick auf die jüngste CFIUS-Praxis und die Einrichtung einer neuen Abteilung, die zunehmend aggressiv abgeschlossene, nicht angemeldete Transaktionen aufgreift, angezeigt erscheinen.Ob diese Praxis nach dem Ende der Trump-Administration anhält, bleibt abzuwarten. Auszuschließen ist dies im Hinblick auf die allgemeinen weltweiten protektionistischen Tendenzen der jüngsten Zeit nicht. Da eine Vorlage an den US-Präsidenten erfahrungsgemäß in einer Untersagung mündet, ist zu erwägen, für einen solchen Fall zu vereinbaren, dass die Anmeldung zurückgenommen und von der Transaktion Abstand genommen bzw. die Transaktionsstruktur angepasst wird, um zumindest die mit einer Untersagung einhergehenden Reputationsschäden zu vermeiden. *) Christoph Barth ist Partner, Kristina Klaaßen-Kaiser Partnerin und Sebastian Klingen Rechtsanwalt im Düsseldorfer Büro von Linklaters.