RECHT UND KAPITALMARKT

Risiken in strukturierten Bieterverfahren

Offenlegung wettbewerbsrechtlich relevanter Informationen kann Kartellrechtsverstoß darstellen

Risiken in strukturierten Bieterverfahren

Von Mathias Schulze Steinen und, Stefan K. Kutscheid *)Zahlreiche, vor allem mittelständische Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sich ihre jeweilige Branche durch rasante Entwicklungen hin zu neuen Technologien, wie zum Beispiel E-Mobilität, Cloud-Lösungen, Digitalisierung oder Onlinehandel, schnell und gravierend verändert. Die Unternehmen benötigen daher häufig entweder erhebliches Kapital, um in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu investieren, oder sie suchen einen Partner, um mit diesem gemeinsam in der Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Häufig beteiligt sich ein solcher Partner dann am jeweiligen Unternehmen oder das Unternehmen und der Partner gründen ein Joint Venture.Um den geeigneten Partner zu finden, wird in der Praxis immer häufiger ein M&A-Prozess in der Form eines strukturierten Bieterverfahrens durchgeführt, bei dem insbesondere auch Unternehmen teilnehmen, die aktuell oder potenziell im Wettbewerb mit dem jeweiligen Unternehmen stehen. Aufgrund des verständlichen Informationsbedürfnisses auch dieser Wettbewerber im Prozess wird das Unternehmen neben den anderen Bietern folglich auch den Wettbewerbern wettbewerbsrechtlich sensible Informationen zur Entscheidungsfindung zur Verfügung stellen müssen.Hierunter fallen beispielsweise solche Informationen, die Einblicke in die Strategie und Planung des Unternehmens, die Preisgestaltungen oder die Kundenbeziehungen des Unternehmens geben. Grundsätzlich sollten daher bei der Offenlegung solcher Informationen auch Vorstand bzw. Geschäftsführung des offenlegenden Unternehmens aufgrund ihrer Organstellung und ihrer Vertraulichkeitsverpflichtungen gegenüber dem Unternehmen auf einen rechtlich sauberen Informationsoffenlegungsprozess achten.Die Offenlegung wettbewerbsrechtlich relevanter Informationen kann jedoch insbesondere auch einen Kartellrechtsverstoß darstellen. So hat beispielsweise die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde (Federal Trade Commission) das Problem im Jahr 2018 zum Anlass genommen und Empfehlungen zur Vermeidung bzw. Minimierung von Kartellrechtsverstößen in M&A-Prozessen veröffentlicht. Zudem wurden in letzter Zeit von den zuständigen Behörden in Europa und Deutschland immer häufiger hohe Bußgelder bereits für einen einmaligen Informationsaustausch verhängt. Es ist zwar offen, ob diese strengen Vorgaben in gleicher Weise auf die Informationsoffenlegung im Rahmen eines solchen strukturierten Bieterverfahrens angewendet werden können. In angemessenem Maße Eine angemessene Offenlegung von Informationen im Rahmen eines solchen strukturierten Bieterverfahrens muss jedoch möglich sein. Denn sonst wäre der Erwerb eines Wettbewerbers oder der Einstieg bei einem solchen oder die Zusammenarbeit im Rahmen eines Joint Ventures enorm erschwert bzw. mit kaum zu rechtfertigenden kartellrechtlichen Risiken verbunden.Wenn ein strukturiertes Bieterverfahren durchgeführt werden soll, kann zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen werden, dass auch Wettbewerber hieran teilnehmen. Vor der Offenlegung von Informationen im Rahmen eines solchen Prozesses sollten daher zunächst alle Informationen, auch in ihrer Gesamtschau, auf ihre wettbewerbsrechtliche Relevanz kontrolliert werden. Zudem sollte die Offenlegung der Informationen generell auf das für die jeweilige Phase notwendige und angemessene Maß beschränkt werden (gestufte Informationsoffenlegung).Zudem können die kartellrechtlichen Risiken zusätzlich durch die folgenden Maßnahmen erheblich minimiert werden: Allen möglichen Bietern wird in einem ersten Schritt ein Anschreiben, welches den Prozess generell beschreibt, mit einem kurzen “Teaser” und einer zu unterzeichnenden Vertraulichkeitsvereinbarung zugesandt.In diesem Stadium des Prozesses muss noch kein Unterschied zwischen den einzelnen Bietern gemacht werden, da die durch den “Teaser” offengelegten Informationen zumeist öffentlich zugängliche Informationen sind und somit noch keine besondere wettbewerbsrechtliche Relevanz haben. Es ist jedoch zu empfehlen, bereits in der Vertraulichkeitsvereinbarung auf Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken im Zusammenhang mit der Offenlegung von wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen hinzuweisen. Dies dient insbesondere auch dazu, die an einem solchen Prozess teilnehmenden möglichen Wettbewerber auf einen solchen Prozess vorzubereiten und einzustimmen.Des Weiteren sollten die Vertraulichkeitsvereinbarungen vorsehen, dass die Informationen nur zum Zwecke der Unternehmensbewertung im Rahmen dieser spezifischen Transaktion verwertet werden dürfen. Auch ist der Hinweis empfehlenswert, dass diese Informationen nur dem jeweiligen M&A-Team oder sogar nur den externen Beratern des Wettbewerbers ungefiltert zur Verfügung gestellt werden und sofort zu vernichten sind, wenn die Transaktion nicht weiterverfolgt wird. Insbesondere sollte auch bereits in dieser Phase klar darauf hingewiesen werden, dass solche wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen auf keinen Fall ungefiltert an Vertriebsmitarbeiter, operativ tätige Mitarbeiter oder sonstige Entscheidungsträger des Wettbewerbers gelangen dürfen.Nach Abschluss der Vertraulichkeitsvereinbarungen wird dann in der Praxis das vorbereitete Informationsmemorandum, in dem allerdings zunächst alle wettbewerbsrechtlich relevanten Informationen geschwärzt sind, allen Bietern gleichermaßen zur Verfügung gestellt. Diese können dann darauf basierend ihr erstes unverbindliches Angebot abgeben. Das ungeschwärzte, ausführliche Informationsmemorandum wird erst denjenigen Bietern zur Verfügung gestellt, die aufgrund ihrer unverbindlichen Angebote für die nächste Runde ausgewählt wurden und Zugang zum Datenraum erhalten.Bevor ein Wettbewerber Zugang zum Datenraum erlangt, sollte mit diesem eine sogenannte Clean-Team-Vereinbarung abgeschlossen werden. Mit Abschluss einer Clean-Team-Vereinbarung regeln die Parteien u. a., dass nur bestimmte interne Mitarbeiter oder externe Berater des Wettbewerbers auf die wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen im Datenraum zugreifen können. Zudem wird vereinbart, dass wettbewerbsrechtlich sensible Informationen nur gefiltert an die jeweiligen Entscheidungsträger des Wettbewerbers weitergegeben werden dürfen. Dabei sollten nur dann auch interne Mitarbeiter des Wettbewerbers dem sogenannten Clean-Team angehören, wenn der Wettbewerber entsprechende Organisationsstrukturen eingerichtet hat, dass die wettbewerbsrechtlich relevanten Informationen nicht den Clean-Team-Vertraulichkeitsbereich verlassen. Separate DatenräumeZusätzlich hierzu sollten zumindest zwei verschiedene Datenräume eingerichtet werden. Ein Datenraum, der alle Informationen enthält, die nicht wettbewerbsrechtlich sensibel sind bzw. in dem bei allen Dokumenten alle wettbewerbsrechtlich relevanten Informationen geschwärzt wurden. Und mindestens einen weiteren Datenraum, in dem alle, und damit auch die wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen, enthalten sind. Zugang zu diesem Datenraum haben nur Mitglieder des sog. Clean Teams und es ist ihnen gestattet, komprimiert und anonymisiert Zusammenfassungen der gesichteten Informationen zu erstellen und diese an die Entscheidungsträger des Wettbewerbers weiterzugeben. Aufgrund der in der Praxis noch existierenden technischen Umgehungsmöglichkeiten bei virtuellen Datenräumen ist zu prüfen, ob der Datenraum mit den wettbewerbsrechtlich relevanten Informationen ausschließlich als rein physischer Datenraum aufgesetzt werden sollte.Mit ähnlichen Trennungen sollte auch bei der Offenlegung von Informationen im Rahmen von Managementpräsentationen, Q&A-Veranstaltungen oder Expertengesprächen gearbeitet werden. *) Dr. Mathias Schulze Steinen ist Partner, Stefan K. Kutscheid ist Senior Associate von DLA Piper in Frankfurt.