RECHT UND KAPITALMARKT

EU reguliert Kryptowährungen

Fehlende Harmonisierung erschwert Aufbau eines starken Kryptomarktes als Gegengewicht zu den USA und Asien

EU reguliert Kryptowährungen

Von Andrea München und Markus Kaulartz *)Ende September 2020 hat die Europäische Kommission ihre digitale Finanzstrategie veröffentlicht, die neben Vorschriften für Blockchain-Sandboxes insbesondere einen Verordnungsentwurf zur Regelung von Kryptowerten enthält. Die Kommission versucht, durch diese sogenannte “Regulation on Markets in Crypto-Assets” (MiCA) ein Gleichgewicht zwischen Innovationsförderung und Regulierung zu schaffen.Bei der Abfassung der MiCA wurde vom europäischen Verordnungsgeber gesehen, dass eines der Hauptprobleme im Bereich der Kryptowerte die fehlende europäische Harmonisierung ist. Deutschland etwa hat zu Beginn des Jahres Regelungen zur Verwahrung von Kryptowerten erlassen, anderen Mitgliedstaaten sind solche hingegen (bisher) fremd. Diese fehlende Harmonisierung behindert derzeit das Entstehen eines einheitlichen europäischen Marktes im Bereich der Kryptowerte. Das erschwert den Aufbau eines starken Kryptomarktes als Gegengewicht zu den USA und Asien. Vier Token-ArtenDem tritt die EU entgegen und legt einen Entwurf für eine – unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten geltende – Verordnung vor. Durch diese soll Rechtssicherheit hergestellt, der Verbraucher- und Anlegerschutz sowie die Marktintegrität gestärkt und die finanzielle Stabilität von Kryptowerten erhöht werden.Die MiCA wird vier Arten von Kryptowerten (auch Token genannt) umfassend regulieren. Den Begriff des “Kryptowertes” versteht der europäische Gesetzgeber dabei als eine digitale Darstellung von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder vergleichbarer Technologien elektronisch übertragen und gespeichert werden. Wie die meisten Regulierungen ist aber auch die MiCA technologieoffen und regelt damit auch vergleichbare Technologien, wobei der Schwerpunkt auf dem verteilten Speichern von verschlüsselten Daten liegt. Hierfür sind Blockchains der Hauptanwendungsfall. Die Verordnung soll allerdings, nach derzeitigem Stand, keine Anwendung auf Kryptowerte finden, die als Finanzinstrumente im Sinne der Mifid II qualifiziert werden, also insbesondere Wertpapiere. Damit sind die derzeit viel diskutierten Security Token gerade nicht von den neuen Regelungen betroffen. Vergleichbar mit Mifid IIIm Einzelnen soll die MiCA künftig neben allgemeinen Kryptowerten, wie zum Beispiel Bitcoin, auch Utility Token, die dazu bestimmt sind, digitalen Zugang zu einer Ware oder einer Dienstleistung zu gewähren, sowie Asset-Referenced Token und E-Geld-Token regulieren. Letztere bezeichnet die MiCA dabei als zwei Arten von Stablecoins, die als Zahlungsmittel fungieren.Die Anbieter von Dienstleistungen rund um Kryptowerte werden einem Lizenzierungs- und Aufsichtsregime inklusive Passporting- und Melderegelungen unterworfen, das mit den Mifid-II-Regelungen vergleichbar ist. Inhaltlich betreffen die Normen zahlreiche Handlungen mit Kryptowerten, insbesondere deren Emission, ihre Verwahrung und Vermittlung sowie den Handel über Handelsplattformen. Anzumerken ist außerdem, dass der Verordnungsgeber klarstellt, dass Anbieter von Kryptowerten nur dann berechtigt sein sollen, Zahlungstransaktionen im Zusammenhang mit den von ihnen angebotenen Kryptowertedienstleistungen durchzuführen, wenn sie als Zahlungsinstitut gemäß der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) zugelassen sind. Dies wird künftig zu zusätzlicher Komplexität führen.Auch werden Emittenten von Kryptowerten im Rahmen der MiCA künftig ein White Paper mit Mindestanforderungen veröffentlichen müssen, um Kryptowerte öffentlich anbieten zu dürfen oder deren Zulassung zu einer Handelsplattform für Kryptowerte zu erhalten. Dieses White Paper ist den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden zu übermitteln, wobei die MiCA kein Genehmigungsverfahren diesbezüglich vorsieht. Allerdings können die Behörden das Angebot der Kryptowerte untersagen, wenn das White Paper oder der Emittent den Anforderungen der MiCA nicht gerecht wird. Diese Anforderungen betreffen insbesondere die Beschreibung der jeweiligen Kryptowerte und ihrer Risikofaktoren, einschließlich Risiken in Bezug auf die Fungibilität der jeweiligen Token. Die in der MiCA in diesem Zusammenhang vorgesehenen Ausnahmen spiegeln größtenteils die bereits im Prospektrecht bestehenden Ausnahmen wider.Unter dem erwähnten Begriff des E-Geld-Token versteht der europäische Gesetzgeber Zahlungsmittel, die eine konkrete Währung repräsentieren. Diese werden von der MiCA als E-Geld behandelt, denn die Kommission ist bestrebt, eine regulatorische Arbitrage zwischen herkömmlichem E-Geld und E-Geld auf Grundlage von Token zu vermeiden. Daher müssen Emittenten von E-Geld-Token eine Erlaubnis als E-Geld-Institut oder als Kreditinstitut haben und die entsprechenden Vorgaben für die Ausgabe von E-Geld beachten.E-Geld-Token sollen nur zu ihrem Nennwert und gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgegeben werden. Auf Anforderung des Tokeninhabers muss der Emittent des E-Geld-Tokens diesen jederzeit wieder zum Nennwert zurücknehmen. Der E-Geld-Token fungiert insofern also als Tauschmittel, das einen stabilen Wert verkörpert. Auf den Wert des E-Geld-Tokens dürfen keine Zinsen gewährt werden. Dies schließt die MiCA aus.Asset-Referenced Token bezeichnet die Verordnung dagegen als Kryptowerte, die wertstabil sein sollen, weil sie sich auf einen Korb an Währungen, Waren wie zum Beispiel Gold oder andere Kryptowerte beziehen. Nicht darunterfallen sollen sogenannte algorithmische Stablecoins. Sie erhalten ihren Wert dadurch, dass die Erhöhung oder Verringerung des Angebots solcher Kryptowerte automatisiert und softwaregesteuert als Reaktion auf Veränderungen der Nachfrage geregelt wird. Auf solche Stablecoins finden die allgemeinen Bestimmungen zu Kryptowerten Anwendung.Emittenten von Asset-Referenced Token und von E-Geld-Token können unter die Aufsicht der European Banking Authority (EBA) fallen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Sie können sich auf die Größe des Kundenstamms, den Wert des Asset-bezogenen Tokens oder die Marktkapitalisierung eines solchen Tokens, die Anzahl der Transaktionen, die Vermögenswerte in Rücklage, die Bedeutung der grenzüberschreitenden Aktivitäten und die Verflechtung mit dem Finanzsystem beziehen.Insgesamt darf man die MiCA auch als Reaktion auf die Diskussion um Facebooks Projekt Libra verstehen. Da Stablecoins bislang nur teilweise reguliert waren und Libra auf geteilte Resonanz bei den EU-Mitgliedstaaten stieß, war eine einheitliche regulatorische Antwort notwendig. Die MiCA regelt Stablecoins daher recht umfassend, um sicherzustellen, dass auch Umgehungstatbestände erfasst werden. Die Ratio dahinter ist natürlich die Sorge, es könne eine unregulierte, privat emittierte Währung geschaffen werden. Dass der Anreiz groß ist, neben Bargeld und Buchgeld durch Kryptowerte noch eine dritte Möglichkeit des Bezahlens zu schaffen, zeigen zudem die immensen Fortschritte der EZB rund um einen Blockchain-basierten digitalen Euro. Bedeutung erkanntZusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die EU die Bedeutung von Kryptowerten erkannt hat. Es ist notwendig, hierfür einen klaren Rechtsrahmen zu schaffen, der EU-weit vereinheitlicht ist. Positiv hervorzuheben sind die vielen Schwellenwerte und Sandboxes, die es gerade kleinen und innovativen Projekten erlauben, sich zu entwickeln, ohne Unsummen in Rechtsberatung und Erlaubnisse investieren zu müssen. Zwar wird es noch schätzungsweise zwei Jahre dauern, bis die MiCA Anwendung findet, doch sollten deren Regelungen schon heute beachtet werden, um emittierte Token nicht ändern zu müssen und Erlaubnisverfahren bereits vorzubereiten.Interessant wird noch die Frage, wie die Aufsichtsbehörden die Regelungen in der Praxis durchsetzen werden, da Blockchains doch per se anonym sind. Es ist zu erwarten, dass gerade Intermediäre wie Handelsplattformen deutlich stärker in die Pflicht genommen werden. *) Andrea München ist Partner und Dr. Markus Kaulartz Counsel bei CMS Deutschland.