RECHT UND KAPITALMARKT

Alternative Finanzierungen gewinnen an Bedeutung

Coronakrise verändert den Kreditmarkt - Negativer Einfluss des Brexit

Alternative Finanzierungen gewinnen an Bedeutung

Von Wolfgang Kotzur *)Der Kreditmarkt ist nicht nur wegen der Coronakrise großen Turbulenzen ausgesetzt. Banken sind angehalten, Nachhaltigkeitsfaktoren (ESG) und verschärfte Eigenkapital- und Risikovorsorgeregelungen zu berücksichtigen. Die Suche nach Fremdfinanzierungen wird für Unternehmen zunehmend schwieriger. Der jüngst vollzogene Brexit trägt seinerseits zu einer ohnehin schon undurchsichtigen Gemengelage bei. Während Banken sich zuletzt aus Teilbereichen des Kreditgeschäfts zurückgezogen haben, öffnet sich die Tür für Kreditfonds, ihren Anteil am Kreditmarkt signifikant zu erhöhen.Es wird absehbar nicht verhindert werden können, dass es zu drastisch zunehmenden Insolvenzen und Kreditausfällen kommen wird. Weder das neue Gesetz über Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), welches Restrukturierungen außerhalb der normalen Insolvenz ermöglicht, noch die zum Teil immer noch geltenden Aussetzungen der Insolvenzantragspflicht werden daran etwas ändern können.Nachdem im Frühjahr 2020 abgeschlossene Kreditverträge noch davon ausgingen, dass sich die Coronalage spätestens Anfang 2021 wieder normalisieren würde, kann davon inzwischen keine Rede mehr sein. Für Banken macht dies die Weiterführung bestimmter Kreditengagements unter Risikovorsorgegesichtspunkten zunehmend schwierig. Demgegenüber steht eine Rekordzahl an “Distressed-Debt-Fonds”: Ihnen steht Kapital in Höhe von mehr als 68 Mrd. Dollar zur Verfügung. Diese können problematische Kredite von Banken übernehmen und den betroffenen Unternehmen hierdurch in teilweise existenzbedrohenden Phasen eine Überlebensperspektive bieten. Distressed-Debt-Fonds verbinden mit ihrem Kreditengagement oft nicht nur hohe Renditeerwartungen, sondern streben teils die Übernahme des Darlehensnehmers an.Für klassische Unternehmensfinanzierung hatten Kreditfonds sich schon vor Corona vor allem im Sub-Investment-Grade-Bereich signifikante Marktanteile erobert. Dieser Trend wird sich voraussichtlich verstärken, Kreditfonds werden zunehmend zu wichtigen Partnern bei der Finanzierung des Mittelstandes und anderer deutscher Wirtschaftsakteure. Regulatorischer DruckZusätzlich verkompliziert wird die Lage durch ESG-Kriterien, die zunehmend in den gesetzgeberischen und aufsichtsrechtlichen Fokus gelangen. Große Finanzmarktteilnehmer, einschließlich Banken, sind ab diesem Jahr dazu verpflichtet, ihren Umgang mit Nachhaltigkeit bei ihren Investitionsentscheidungen offenzulegen. Dies verstärkt einen ohnehin bestehenden Trend: Zahlreiche Finanzmarktakteure haben sich auf freiwilliger Basis bestimmten Prinzipien wie den “Equator Principles” und den “Principles of Responsible Investment” unterworfen, denen zufolge sie ESG-Kriterien bei ihren Investitionen stärker berücksichtigen wollen.Zunehmend steigt daher der politische, regulatorische und öffentliche Druck auf Banken, die Finanzierungen von unter ESG-Gesichtspunkten als schädlich verorteten Aktivitäten zurückzufahren. Dies führt dazu, dass zu den durch Corona besonders hart getroffenen Branchen wie Luftfahrt, Gastronomie und Tourismus weitere hinzukommen, deren Finanzierung sich immer schwieriger gestaltet. Fossile Energievorhaben oder auch bestimmte Bereiche der Rüstungsindustrie etwa könnten betroffen sein.Die hier entstehenden Marktlücken könnten durch Kreditfonds gefüllt werden. Diese decken eine große Bandbreite von Anlagezielen ab und sind daher grundsätzlich flexibler. Sie sind in der Lage, Finanzierungen für “Nischenzwecke” bereitzustellen, die von anderen Finanzmarktteilnehmern angesichts einer veränderten regulatorischen und politischen Lage gemieden werden. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass solche Finanzierungen für betroffene Unternehmen zukünftig deutlich teurer werden.Zuletzt hat auch der Brexit dazu beigetragen, das verfügbare Angebot von Finanzierungen negativ zu beeinflussen. Der Brexit erfolgte, ohne dass sich die EU und Großbritannien über ein Abkommen zu Finanzdienstleistungen, einschließlich Kreditvergabe, einigen konnten. In Großbritannien schon tätige EU Finanzdienstleister dürfen ihre Leistungen zwar zunächst auf Basis eines “Temporary Permissions Regime” weiter anbieten. Das gilt umgekehrt aber nicht für britische Finanzdienstleister in der EU.Für Letztere sind ihre EU-Produktpassrechte für die Darlehensvergabe entfallen, sofern sie nicht die Zulassung in einem der verbliebenen EU-Mitgliedsstaaten erworben haben. Dies gilt nicht nur für britische Banken, sondern auch für britische Kreditfonds, deren direkte Kreditvergabe in Deutschland inzwischen an hohe Hürden gebunden ist. Sie dürfen diese nun nur noch im Zuge eines aufwändigen Vertriebsanzeigeverfahrens für Drittstaaten-Fonds betreiben. Neben der Beantragung einer EU-Zulassung bleiben den Fonds zwar traditionelle Lösungen wie die Kreditvergabe über eine “Fronting Bank”. Die Darlehensvergabe wird für sie aber in jedem Falle aufwändiger. *) Dr. Wolfgang Kotzur ist Partner im Frankfurter Büro von Oppenhoff.