Rüstungsindustrie

Susanne Wiegand führt Renk an die Börse

Der angepeilte Börsengang von Renk bietet aus Sicht von Vorstandschefin Susanne Wiegand die größte Chance für Wachstum. Zeiten- und Energiewende kommen ihr entgegen.

Susanne Wiegand führt Renk an die Börse

Susanne Wiegand führt Renk an die Börse

Von Joachim Herr, München

Wissen und Können, Strategie und Führungsstil sind viel wichtiger als die Frage, ob eine Frau oder ein Mann an der Spitze eines Unternehmens steht. Besonders in der deutschen Industrie dominiert jedoch nach wie vor eine Herrenriege die Vorstände. Umso mehr sticht Susanne Wiegand hervor. Als Vorstandsvorsitzende von Renk ist sie eine Ausnahme in der weiterhin von Männern bestimmten Rüstungsindustrie. Seit 2021 führt sie das Unternehmen in Augsburg, das unter anderem Getriebe für Panzer und Marineschiffe herstellt.

In der Branche sammelte die Diplom-Kauffrau, die aus Schönaich bei Stuttgart stammt, zuvor schon 16 Jahre lang Erfahrung in der Thyssenkrupp-Tochterfirma Marine Systems, als Geschäftsführerin des Marineschiffsbauers German Naval Yards und im Bereichsvorstand der Verteidigungssparte von Rheinmetall. In diesem Jahr findet die 51 Jahre alte Managerin besonders viel Aufmerksamkeit: Renk bereitet einen Börsengang vor.

Attraktive Unabhängigkeit

Zunächst wurde ein Initial Public Offering (IPO) als eine Option verfolgt, wie es einige Monate lang hieß. Mittlerweile steht fest, dass Renk die Erstnotiz im regulierten Markt der Frankfurter Börse für den 5. Oktober anstrebt. Der Finanzinvestor Triton, der Wiegand auf den Chefsessel geholt hat, macht Kasse und will maximal 27% der Anteile von Renk abgeben. Das könnte der Private-Equity-Gesellschaft im besten Fall einen Emissionserlös von 486 Mill. Euro einbringen.

Genau genommen ist es für Renk eine Rückkehr auf die Kurstafel. Das 150 Jahre alte Unternehmen war bis Februar 2021 fast 100 Jahre lang börsennotiert gewesen und gehörte 90 Jahre zum MAN-Konzern, später zu Volkswagen. Wiegand machte schon im Sommer keinen Hehl daraus, dass sie einen Börsengang bevorzugt – verglichen mit den anderen Möglichkeiten: einem Verkauf an einen Finanz- oder an einen strategischen Investor. Es sei für Renk attraktiv, unabhängig zu bleiben, um das Wachstumspotenzial zu nutzen, sagte sie im Juli im Club Wirtschaftspresse München.

Plötzlich ein besserer Ruf

Der Angriff Russlands auf die Ukraine rückte Landesverteidigung nach Jahrzehnten plötzlich wieder in den Vordergrund. Die Rüstungsindustrie profitiert davon in der politischen Bedeutung, im Ansehen der Gesellschaft und wirtschaftlich. Der Auftragsbestand von Renk erreichte in diesem Jahr Höchststände, in der ersten Hälfte wuchs er um gut ein Fünftel auf 1,7 Mrd. Euro. Der Umsatz in diesen sechs Monaten nahm um knapp 8% auf 410 Mill. Euro zu. Die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern hat Wiegand auf ein Niveau von 15 bis 16% gehievt. Das stützt das Selbstbewusstsein der Unternehmenschefin – nicht nur wegen des Themas Rüstung: „Wir stehen für die Zeiten- und Energiewende.“

Welcher Panzer die Ausschreibung eines westlichen Landes für einen Auftrag gewinnt, ist ihr offenbar gleichgültig: „Wir sind überall drin“, sagt sie über die Getriebe von Renk. Antriebs- und Steuerungstechnik für gepanzerte Fahrzeuge und Marineschiffe macht 70% des Umsatzes aus, Schwerpunkt der restlichen 30% ist Energietechnik mit Lösungen für eine klimaneutrale Wirtschaft. Ein Beispiel: Als zweitgrößter Anbieter stellt das Unternehmen Turbogetriebe für Kompressoren zur Verteilung von Gas her. Dieser Markt wachse schneller als das Rüstungsgeschäft, berichtet Wiegand.

„Das reicht nicht“

Wenn es um das Thema Verteidigung geht, nimmt sie anscheinend kein Blatt vor den Mund. Im Bundesverband der Deutschen Industrie engagiert sie sich als Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit. Das Sondervermögen von 100 Mrd. Euro für die Bundeswehr hält Wiegand zwar für einen guten Schritt. „Das reicht aber nicht“, moniert sie und sieht sich auf einer Linie mit Verteidigungsminister Boris Pistorius. Zudem kritisiert sie das Beschaffungswesen der Bundeswehr als zäh und viel zu langsam.

Das Bestreben der Bundesregierung, 2% des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, ist nach ihrer Meinung halbherzig: „Ein klares Commitment kann man nicht erkennen“, sagt Wiegand. „Ich frage mich, was noch passieren muss.“ Sie fordert, nicht nur an den Krieg in der Ukraine zu denken. Denn es gebe einen Wettbewerb der politischen Systeme mit Autokratien wie China. „Es braucht eine wehrhafte Demokratie“, ruft die Managerin der Politik zu. Dass sie damit auch die Interessen von Renk verfolgt, ist in ihrer Rolle als Vorstandschefin legitim.

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