Großbritannien

Nadhim Zahawi wird Schatzkanzler

Boris Johnson hat schnell einen Nachfolger für Schatzkanzler Rishi Sunak präsentiert. Nadhim Zahawi war für die erfolgreiche Sars-CoV-2-Impfkampagne verantwortlich. Bei der Parteibasis ist er beliebt.

Nadhim Zahawi wird Schatzkanzler

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Der britische Premierminister Boris Johnson hat Nadhim Zahawi (55) fast ein bisschen zu schnell als Nachfolger für Schatzkanzler Rishi Sunak aus dem Hut gezogen. Britische Medien spekulierten, der Mitgründer des Meinungsforschers Yougov habe mit seinem Rücktritt als Bildungsminister gedroht, sollte er das Amt nicht bekommen. Zahawi bestritt das kategorisch. Der Absolvent des University College London verantwortete während der Pandemie die erfolgreiche Impfkampagne gegen Sars-CoV-2, was ihn im ganzen Land bekannt machte. Sein Aufstieg ist für ihn ein Beispiel dafür, welche Möglichkeiten Großbritannien Zu­wanderern bietet. Er zwicke sich oft selbst, um sicherzugehen, dass er das nicht alles träume, sagt der in Baghdad geborene irakische Kurde, der mit neun Jahren ohne Englischkenntnisse nach Großbritannien kam, als seine Familie vor Saddam Hussein flüchten musste. „Ein großartiges Land“, wie er gerne wiederholt. Er sitzt für Stratford-upon-Avon im Unterhaus, den Geburtsort William Shakespeares, worauf er ganz besonders stolz ist.

Zahawi gilt als begnadeter Macher und wurde bereits als möglicher Nachfolger Johnsons gehandelt. Bei der Parteibasis ist er beliebt. Ihm wurde zugetraut, als Bildungsminister die mächtigen Lehrergewerkschaften in die Schranken zu weisen, die sich zu Beginn der Pandemie weigerten, auf Online-Unterricht umzustellen. Aber das öffentliche Bildungswesen interessierte den Absolventen einer Privatschule offenbar nicht groß. Fast hätte es die Ministerialbürokratie unter seinen Augen geschafft, die von Michael Gove durchgesetzte Reform des Schulsystems mit ein paar Sätzen in einem Gesetzentwurf rückgängig zu machen und auch unabhängige Schulen wieder ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Zahawi wäre es nicht rechtzeitig aufgefallen. Trotzdem wird er fehlen, denn nun drohen die Lehrergewerkschaften mit einem Streik, der die während der Pandemie aufgelaufenen Defizite noch vergrößern wird. „Unverzeihlich“ wäre so ein Arbeitskampf, sagte Zahawi. Doch nun wechselt er ins Finanzressort, statt ihn abzuwenden. Die nötigen Vorkenntnisse bringt er mit. Die börsennotierte Yougov hat er nicht nur mitgegründet, sondern auch jahrelang geführt. Steuersenkungen versprach er so kurz nach seinem Amtsantritt noch nicht. Auch sonst ließ er sich nicht in die Karten sehen. „Liefern, liefern, liefern“ müsse die Regierung nun, wiederholte er dagegen gebetsmühlenhaft. Zahawi ist einer der reichsten Abgeordneten des Landes.

Auch Steve Barclay (50) hätte das Zeug zum Schatzkanzler gehabt, fungierte der ehemalige Brexit-Staatssekretär doch auch schon als Chief Secretary of the Treasury und war vor seinem Einzug ins Unterhaus für den Versicherer Axa, die Vorgängerbehörde der Finanzaufsicht FCA und Barclays tätig. Doch Johnson verbannte seinen Chief of Staff ins Gesundheitsministerium, wo durch den Rücktritt von Sajid Javid ein schwer zu besetzender Ministerposten frei geworden war.

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