Großbritannien

Liz Truss setzt auf Loyalität

Das Kabinett der neuen britischen Premierministerin wird sich allen Erwartungen zufolge durch große Diversität auszeichnen. Doch eines eint die Kandidaten: ihre Loyalität zu Liz Truss.

Liz Truss setzt auf Loyalität

Von Andreas Hippin, London

Unverschuldete Verzögerungen haben Liz Truss’ (47) ersten Amtstag geprägt. Weil sie sich den Segen der Queen im schottischen Balmoral holen musste, traf sie später als erwartet in 10 Downing Street ein. Ein heftiger Regenguss führte dazu, dass sie ihre Antrittsrede erst drinnen halten wollte, dann aber doch vor die Tür ihres neuen Amtssitzes ging – gut eine Stunde später als ursprünglich angesetzt. Das sorgte auch dafür, dass die Mitglieder ihres Kabinetts erst später bekannt gegeben wurden. Bis Redaktionsschluss war vieles noch offen. Die Beförderung von Thérèse Coffey (50) zur stellvertretenden Premierministerin ist eine der wichtigsten Personalien. Die bisherige Arbeits- und Rentenmi­nisterin, die künftig die Misere des öffentlichen Gesundheitswesens NHS (National Health Service) verwalten soll, wird zu den engsten Verbündeten von Truss in Westminster gerechnet.

Kwasi Kwarteng (47) galt bereits seit einiger Zeit als gesetzt, wenn es um die Nachfolge von Rishi Sunak als Schatzkanzler ging. Als Boris Johnson den Nachkommen von Einwanderern aus Ghana 2021 zum Wirtschaftsminister machte, war er das erste schwarze Kabinettsmitglied. Wie Truss gehörte der Eton-Stipendiat und Cambridge-Absolvent zu den Autoren von „After the Coalition“, in dem sie 2011 ihre Vorstellungen für eine Politik ohne den liberaldemokratischen Koalitionspartner darlegten. Ein Jahr später folgte mit „Britannia Unchained“ eine programmatische Schrift für den rechten Flügel der Partei.

Auch sonst zeugt die antizipierte Neuaufstellung der Regierung von großer Diversität. Generalstaatsanwältin Suella Braverman (42) wird für das Amt von Innenministerin Priti Patel gehandelt, die am Montag zurückgetreten war. Ihre Eltern stammen aus Mauritius und Kenia, weshalb sie sich einmal als „Kind des britischen Empires“ beschrieb. Die Cambridge-Absolventin gehört zu den Hardlinern in der Partei, egal ob es um das Nordirland-Protokoll oder die Abschiebung von Zuwanderungswilligen nach Ruanda geht. Jacob Rees-Mogg (53), der von vielen als ultrakonservative Witzfigur betrachtet wird, gilt als Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers. Der erzkatholische Vater von sechs Kindern verkörpert das konservative Establishment wie kein anderer. Vor 15 Jahren gründete er mit Hilfe des Hedgefondsmanagers Crispin Odey sein eigenes Investmentvehikel: Somerset Capital Management.

Johnsons Nachfolgerin weiß Loyalität zu schätzen. Wer im Kampf um die Führung der Partei ihren Rivalen Sunak unterstützte, durfte bestenfalls auf einen Job in der zweiten Reihe hoffen. Verkehrsminister Grant Shapps, der sich hinter den Schatzkanzler gestellt hatte, wird wohl Anne-Marie Trevelyan weichen müssen, die bislang für den Außenhandel verantwortlich zeichnete. Zudem macht sie am Amtssitz des Premiers reinen Tisch. Wie der „Telegraph“ berichtet, werden bis zu 40 Karrierebeamte aus 10 Downing Street ins Cabinet Office versetzt. Ihre Berater werden nicht in dem Maße auf Staatsdiener zurückgreifen können wie unter ihrem Vorgänger üblich.

Bemerkenswert ist auch, wer nicht mit von der Partie ist: Der ehemalige Brexit-Verhandlungsführer David Frost lehnte zwei Positionen ab, die ihm von Truss angeboten wurden. Kulturministerin Nadine Dorries wurde offeriert, im Amt zu bleiben. Sie wollte „nach reichlicher Überlegung“ aber nicht. Auch der ehemalige Tory-Chef Iain Duncan Smith zog die Hinterbänke des Unterhauses einem Posten im neuen Kabinett vor.

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