Grossbritannien

Jeremy Hunt läuft sich warm

Jeremy Hunt wird es auf Dauer nicht reichen, Schatzkanzler von Liz Truss zu sein. Der Initiator des Sturzes von Boris Johnson hat größere Ambitionen.

Jeremy Hunt läuft sich warm

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Jeremy Richard Streynsham Hunt (55) hat, anders als viele seiner Kollegen, in Oxford neben den Klassikern auch ein bisschen Wirtschaft studiert. Man kann dem frischgebackenen britischen Schatzkanzler also nicht gleich mangelnde Sachkenntnis vorwerfen, nur weil er bislang kein Ressort innehatte, das mit Finanzthemen zu tun hatte. Die Hoffnung, der Brexit-Gegner von einst werde alles tun, was nötig ist, um die Kapitalmärkte zu beruhigen, brachte ihm bei manchen in Westminster den Spitznamen „Jeremy Draghi“ ein. Andere fühlten sich an David Camerons Schatzkanzler George Osborne erinnert. Und wiederum andere werteten die Personalie als Angriff auf die Parteirechte. Es gehe derzeit nicht um Ideologien, sondern um Charakter und die Fähigkeit, Kompromisse zu machen, schrieb dagegen Simon French, der Chefvolkswirt von Panmure Gordon.

Der Sprössling von Admiral Nicholas Hunt hatte sich nach seinem Universitätsabschluss auch als Unternehmensgründer versucht. Der Vertreter­ der liberalen „One Na­tion“-Strömung der Regierungspartei arbeitete zwischenzeitlich auch als Unternehmensberater und als Englischlehrer in Japan, wo er ein wenig Japanisch lernte. Mit seinem Jugendfreund Mike Elms brachte er Hotcourses an den Start. Die australische IDP Education übernahm 2017 die Firma, die Hilfe bei der richtigen Studienwahl bieten will. Das machte ihn zu einem der reichsten britischen Politiker. Zusammen mit seiner Frau gehört ihm die Immobilienfirma Mare Pond Properties.

An der Uni war er Präsident der konservativen Studentenvereinigung. Auch danach zeigte er sich ambitioniert. Vor drei Jahren zog der ehemalige Gesundheitsminister im Kampf um die Parteiführung gegen Boris Johnson den Kürzeren. Das Amt des Verteidigungsministers, das ihm Johnson danach anbot, schlug er aus. Seine Niederlage hielt den ehemaligen Head Boy der noblen Charterhouse School allerdings nicht davon ab, es noch einmal zu versuchen. Hunt gehörte zu den Wegbereitern des Sturzes von Johnson, schied aus dem Rennen um seine Nachfolge aber schon in der ersten Runde aus. Nun nimmt er offenbar wieder Anlauf, denn Schatzkanzler zu sein, wird ihm auf Dauer nicht reichen. Anhänger von Rishi Sunak, der Liz Truss im jüngsten Kampf um die Parteispitze ebenfalls unterlag, be­schrieben Truss als „Gefangene“ von Hunt. Sie sei zwar im Amt, aber er habe die Macht.

Hunt gilt in der Partei inzwischen als gestandene Führungspersönlichkeit. Weder die mangelnde Vorbereitung des britischen öffentlichen Gesundheitswesens auf die Pandemie hat ihm geschadet noch dessen insgesamt desolater Zustand. Dabei zeichnete er von 2012 bis 2018 im Kabinett dafür verantwortlich. Auch das negative Image, das ihm seine harte Haltung gegen streikende Krankenhausärzte in der Öffentlichkeit einbrachte, ist längst vergessen. Hunt nannte Johnson wegen seines recht bunten Privatlebens ein Sicherheitsrisiko. Nun könnte er ein Sicherheitsrisiko sein, denn seine Frau, Lucia Guo, stammt aus der Volksrepublik China. Der Vater von zwei Töchtern und einem Sohn muss fürchten, dass die Pekinger Führung auf ihre im Land verbliebenen Familienangehörigen zugreift, um Druck auf ihn auszuüben.

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