Frankreich

Macron im Krisenmodus

Welchen wirtschaftspolitischen Kurs Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner zweiten Amtszeit einschlagen will, ist unklar. Noch fährt er angesichts der Krisen auf Sicht.

Macron im Krisenmodus

­Als Krisenmanager hat er seine Wiederwahl gewonnen, als Krisenmanager kehrt er auch aus der Sommerpause zurück. Mit einem neuen Verteidigungsrat zum Thema Energieversorgung gleich an diesem Freitag gibt Emmanuel Macron den Ton für die kommenden Monate vor. Die sogenannte Rentrée, wie die Rückkehr aus den Sommerferien in Frankreich heißt, bildet den eigentlichen Auftakt für seine zweite Amtszeit. Der Herbst und der Winter werden entscheidend dafür sein, wie es für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone weitergeht. Denn noch ist unklar, welchen Kurs Macron einschlagen will. In dem Fahrwasser für die nächsten Monate lauern zahlreiche Gefahren. Neben der Unsicherheit, wie sich Inflation und Energiekrise auf die Kaufkraft der Bevölkerung und das Wachstum auswirken werden, gehört dazu auch die Frage, wie es dem Präsidenten gelingen kann, ohne absolute Mehrheit in der Nationalversammlung weitere Reformen auf den Weg zu bringen. Von all dem wird auch abhängen, ob er zwei wichtige wirtschaftspolitische Versprechen für seine zweite Amtszeit bis 2027 erreichen kann: Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von 5% statt derzeit 7,2% und die Senkung des Haushaltsdefizits von zuletzt 6,4% auf unter 3%.

War die erste Amtszeit Macrons – vor allem die erste Hälfte – von einem straffen Reformkurs geprägt, so steht sein zweites Mandat im Zeichen von Krisen. Angesichts von Covid, des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise fährt Frankreichs Staatsoberhaupt auf Sicht und legt den Kurs immer nur für ein paar Monate fest. Wie nach seiner ersten Wahl stehen Reformen auf dem Programm, etwa die der Arbeitslosenversicherung, der Sozialleistung Revenu de solidarité active und die Anhebung des Rentenalters. Doch die Vorzeichen haben sich seit 2017 grundlegend verändert. Zum einen hat die durch eine geplante Ökosteuer auf Benzin ausgelöste Gelbwesten-Protestbewegung Frankreichs Innenstädte im Winter 2018/19 regelmäßig lahmgelegt und so den Handlungsspielraum des Präsidenten eingeschränkt. Zum anderen hat Macrons Regierungspartei Renaissance bei den Parlamentswahlen im Juni die absolute Mehrheit verloren, während der rechtsextreme Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) stark zugelegt haben. Der RN stellt inzwischen 89 Abgeordnete, LFI 75.

Aus Furcht, die hohe Inflation könnte nach der Rentrée für neue Proteste sorgen, hat Macrons Regierung noch vor der Sommerpause ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um die Folgen der Teuerung abzufedern. Zwar ist die Inflation in Frankreich mit zuletzt 6,5% niedriger als in den meisten Nachbarländern, doch der Druck auf die politische Führung, etwas für die Kaufkraft zu tun, war selten so stark wie jetzt. Dass er in den kommenden Monaten nachlässt, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr ist in der Bevölkerung unterschwellig ein immer stärker werdender Unmut darüber zu verspüren, dass von ihr Anstrengungen erwartet werden, beim Energieverbrauch sorgsamer vorzugehen und zu sparen. Die Zeiten des Überflusses und der Sorglosigkeit seien vorbei, schwor Macron sie vor wenigen Tagen ein. Sie müssten akzeptieren, den Preis der Freiheit zu zahlen. Die seit Ende 2021 eingeführte, bereits mehrmals verlängerte Deckelung der Energiepreise läuft eigentlich Ende des Jahres aus, genau wie andere Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft. Angesichts drohender Proteste könnte sich Macrons Regierung jedoch gezwungen sehen, sie zu verlängern. Sie haben bereits jetzt 45 Mrd. Euro gekostet, hat das Bruegel-Institut errechnet.

All das belastet die Staatsfinanzen. Bisher hofft Macron, sie in Ordnung bringen zu können, wenn sich die Inflation nächstes Jahr abschwächt. Doch ihm droht konjunktureller Gegenwind, da sich das Wachstum weiter verringern dürfte. Die aktuelle Prognose von 2,5% für dieses Jahr dürfte nicht zu halten sein, genau wie die für 2023 vorhergesagten 1,3%. Vor diesem Hintergrund könnten sich die haushaltspolitischen Diskussionen als explosiv erweisen. Der Haushaltsentwurf ist neben dem Gesetzentwurf für die Reform der Arbeitslosenversicherung das wichtigste Thema nach der Rückkehr des Parlaments aus der Sommerpause im Oktober. Sollte die erstarkte Opposition, allen voran die rechtsextremen und linkspopulistischen Abgeordneten, den Haushaltsentwurf zu stark torpedieren, könnte Macrons Regierungschefin Élisabeth Borne gezwungen sein, ihn ohne Abstimmung mit Hilfe des Artikels 49.3 der Verfassung durchzusetzen. Das wäre nicht ohne Gefahr, denn das könnte den Unmut der Bevölkerung weiter schüren. So oder so: Die nächsten Monate werden entscheidend für den wirtschaftspolitischen Kurs der zweiten Amtszeit von Macron sein.

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