Italienische Banken

Lieber Pest als Cholera

Der Verkauf der italienischen Problembank Monte dei Paschi an Unicredit ist für Rom teuer, aber politisch alternativlos. Europa drückt ein Auge zu.

Lieber Pest als Cholera

Italiens Regierung macht der Mailänder Großbank Unicredit ein großzügiges Geschenk und serviert ihr die Filetstücke der schwer angeschlagenen und mehrheitlich verstaatlichten Skandalbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) auf dem Silbertablett. Alle Risiken trägt der Steuerzahler – so wie 2017, als die Rivalin Intesa Sanpaolo zwei strauchelnde Volksbanken aus Venetien erhielt. Und das ist womöglich noch nicht das Ende: Im schlimmsten Fall landen Teile der 549 Jahre alten Bank aus Siena in einer großen Staatsbank für den Süden, zu der auch noch die Krisenbanken Carige und Volksbank von Bari, die der Staat ebenfalls retten musste, gehören. Allein bei der Monte dei Paschi könnte der Staat am Ende mit 20 Mrd. Euro dabei sein – monströs.

Doch Rom hat im Grunde keine Wahl – und muss die Bedingungen von Unicredit-Chef Andrea Orcel erfüllen. Niemand sonst will die Bank haben. Orcel kann notfalls mit dem Rückzug drohen. Wie so oft in Italien hat die Sache auch eine politische Dimension: Der Sitz der Monte dei Paschi in Siena war der Wahlkreis von Ex-Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan, der die Bank 2017 mit einer staatlichen Kapitalspritze von 5,4 Mrd. Euro rettete und heute Unicredit-Chairman ist. Und Enrico Letta, Chef der sozialdemokratischen Regierungspartei PD, unter dem Padoan Minister war, kandidiert ausgerechnet für den freigewordenen Parlamentssitz in Siena. Wehe dem, der Böses dabei denkt. Es ist sicher kein Zufall, dass Orcel Berater der Monte dei Paschi war, als das Unheil begann und die Bank 2007 für 9 Mrd. Euro die Bank Antonveneta übernahm.

Der Fall wirft erneut ein schlechtes Licht auf Italiens Bankensystem, das häufig Spielball und Selbstbedienungsladen der Politik war und der Kreditvergabe an Freunde und Freunde von Freunden diente – ob in Bari bei der dortigen Volksbank, in Siena zur Finanzierung der linken Parteien, in Genua bei Carige oder in Venetien bei den Volksbanken. Die Rechnung für Größenwahn und oft kriminelle Machenschaften zahlt am Ende immer der Steuerzahler, nicht nur der italienische – denn das Geld kommt im Fall Italiens letztlich auch aus Europa.

Die teuren Geschenke des Staates an Unicredit und Intesa Sanpaolo führen auch dazu, dass sich die Dominanz der beiden sehr starken und gesunden Großbanken, die zu den solidesten und ertragsstärksten Geldhäusern in Europa gehören, verstärkt. Beide Adressen können sich nun aus einer Position der Stärke heraus nach Akquisitionsmöglichkeiten im Ausland umschauen. Das ist Wettbewerbsverzerrung. Anders als Carige und MPS, die im Banken-Stresstest katastrophal abgeschnitten haben, sind die beiden Großbanken – ebenso wie die Investmentbank Mediobanca – mit sehr guten Ergebnissen aus dem Test hervorgegangen.

Die wenigen kleineren Institute, die noch existieren, werden wohl größtenteils von der Bildfläche verschwinden. Sie haben immer noch zu viel Personal und zu viele Filialen, sind zu wenig auf die Digitalisierung vorbereitet, und es gibt zu viel politische Einflussnahme. Die diversen Krisen der vergangenen Jahre haben die Bankenlandschaft schon stark verändert. Die Konsolidierung schreitet weiter voran: Demnächst dürfte ein dritter großer Bankenpool, vermutlich um die norditalienischen Institute BPM und BPER, entstehen. An­sonsten ist, mit Ausnahme des stark geschrumpften Sparkassenlagers, der Volksbanken und der Töchter der französischen Großbanken Crédit Agricole und BNP Paribas, ohnehin nicht mehr viel übrig. Immerhin gibt es sehr erfolgreiche Spezialbanken wie Mediolanum, Mediobanca oder die Online-Banken Fineco und Illimity, die zeigen, dass Institute, die auf wenige Geschäftsfelder fokussieren, erfolgreich sein können.

Es gibt aus Sicht der italienischen Politik keine realistische Alternative zu dem Geschenk an Unicredit. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen wären schwer kalkulierbar, ließe man die viertgrößte italienische Bank sterben oder dauerhaft in Staatsbesitz. Zwar sieht Europa einen Abwicklungsmechanismus für gescheiterte Banken vor, doch hat die Monte dei Paschi Anleihen großflächig bei privaten Sparern platziert, die der Staat verschonen will. Auch geht die Angst vor einer Vertrauenskrise um, die auch gesunde Banken mit in den Orkus reißen könnte – zumal das bevorstehende Auslaufen staatlicher Kreditgarantien und Moratorien oh­nehin Gefahren birgt. Natürlich sind solche Ge­schenke Wettbewerbsverzerrungen, die da­zu führen, dass Gewinne privat bleiben, Verluste aber sozialisiert werden. Doch dürfte Europa auch diesmal wieder ein Auge zudrücken. Auch Brüssel sieht das Dilemma zwischen Pest und Cholera.

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