SERIE ZUR US-WAHL 2020: HANDELSPOLITIK

Trump und das Entwicklungsland USA

Schwächelnde Exporteure und neues Ungemach in Handelskonflikten prägen Endphase der Präsidentschaft

Trump und das Entwicklungsland USA

rec Frankfurt – Eine schwächelnde Exportwirtschaft und der Handelskonflikt mit der Europäischen Union bringen US-Präsident Donald Trump in Bedrängnis. Keine fünf Wochen vor der Wahl hatten die Statistiker des Census Bureau diese Woche schlechte Nachrichten für den Amtsinhaber: Der Importüberschuss im Handel mit dem Rest der Welt ist nach einem zwischenzeitlichen Rückgang um etwa ein Viertel im Zuge der Pandemie zurück auf ein Rekordhoch geklettert (siehe Grafik). Während die Einfuhren wieder auf Vorkrisenniveau sind, hat die weiterhin schleppende Auslandsnachfrage das Handelsbilanzdefizit auf 82,9 Mrd. Dollar im August getrieben. Trumps erklärtes Ziel, das Defizit deutlich zurückzufahren, ist in weite Ferne gerückt. Und auch handelspolitisch droht Ungemach. USA vs. EU: Insbesondere der Handelsstreit mit der Europäischen Union droht kurz vor dem Wahltermin neu aufzuflammen. Wie am Mittwoch durchsickerte, dürfte ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation (WTO) der EU in Kürze Vergeltungszölle im Wert von 4 Mrd. Dollar pro Jahr zugestehen. Möglich sind dann Aufschläge von bis zu 100 % auf Produkte aus den USA. Hintergrund ist der Streit über Subventionen der US-Regierung für den heimischen Flugzeugbauer Boeing. Umgekehrt hat die WTO Washington bereits vor einem Jahr zu Zöllen über maximal 7,5 Mrd. Dollar pro Jahr ermächtigt, als Wiedergutmachung für staatliche Beihilfen für den Boeing-Konkurrenten Airbus.Anders als etliche andere Handelsstreitigkeiten hat Trump diesen seit 2004 andauernden Konflikt nicht vom Zaun gebrochen. In den Augen der EU lässt die US-Regierung aber jeden Ehrgeiz für eine Lösung auf dem Verhandlungswege vermissen. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), fordert nun noch einmal eindringlich, dass die EU-Kommission Ernst macht. “Wenn es kein Signal für ernsthafte Verhandlungen gibt, werden wir die Zölle scharf stellen”, sagt Lange (siehe Interview). USA vs. China: Auch das Verhältnis zu China kommt nicht zur Ruhe. Trump macht das Reich der Mitte für den Ausbruch der Corona-Pandemie verantwortlich, diesen Vorwurf hat er auch im ersten TV-Duell wiederholt. Überhaupt erreichen die Beziehungen einen Tiefpunkt nach dem anderen: Allein in den letzten Monaten hat die US-Regierung den chinesischen Technologiekonzern Huawei von der Versorgung mit Halbleitern abgeschnitten, den in den USA beliebten Videosharing-Dienst Tiktok verboten (was ein US-Gericht gerade gekippt hat), das umstrittene chinesische Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone Hongkong mit Sanktionen beantwortet und wegen Spionagevorwürfen ein chinesisches Konsulat schließen lassen.Dagegen hält Washington am Phase-1-Abkommen, das seit Februar in Kraft ist und im Wesentlichen Importzusagen Pekings im Volumen von 200 Mrd. Dollar bis Ende 2021 umfasst, fest – obwohl Peking weit unter Plan liegt (siehe Grafik). Von der angestrebten zweiten Verhandlungsphase zu Themen wie Chinas Subventionen für Staatsbetriebe und besserer Schutz für das geistige Eigentum von US-Firmen ist längst keine Rede mehr. Dafür fordern immer mehr US-Konzerne ein Ende der Strafzölle. Der US-Autobauer Tesla hat nun sogar dagegen geklagt. USA vs. WTO: Unterstützung kommt aus Genf: Die WTO hat einen Teil der von den USA verhängten Strafzölle für unrechtmäßig erklärt – was freilich ohne Folgen bleibt. Dagegen hat die beharrliche Weigerung der Trump-Regierung, Stellen beim WTO-Berufungsgremium nachzubesetzen, zu einer Teilblockade des Streitbeilegungsmechanismus geführt, die seit bald einem Jahr anhält. Trumps Abscheu vor der WTO und dem Regelwerk des internationalen Handels ist hinlänglich bekannt. Neu ist, dass der US-Präsident den Ex-WTO-Chef Roberto Azevedo gedrängt haben will, die USA zum Entwicklungsland zurückzustufen, um dieselben Vorteile wie China zu bekommen. So steht es in dem kürzlich erschienen Buch des Journalisten Bob Woodward.