Tarifverdienste

Lohnplus viel geringer als Teuerung

Die Lohnentwicklung steht aktuell gleich doppelt im Fokus: wegen einer möglichen Lohn-Preis-Spirale angesichts der hohen Inflation und wegen der Folgen für den Konsum. Nun gibt es neue Daten von Destatis.

Lohnplus viel geringer als Teuerung

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Die Löhne der Millionen Tarifbeschäftigten in Deutschland haben im dritten Quartal einen rekordniedrigen Anstieg verzeichnet – der folglich auch die hohe Inflation bei weitem nicht kompensieren konnte. Die Verdienste legten von Juli bis September um durchschnittlich 0,9% zum Vorjahresquartal zu, wie Destatis am Dienstag mitteilte. Laut den Statistikern ist das der geringste Anstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2010. Da die Verbraucherpreise in den Sommermonaten gleichzeitig um 3,9% zulegten, schrumpfte demnach die Kaufkraft der Beschäftigten deutlich.

Die Daten sind in doppelter Hinsicht interessant. Zum einen dämpfen sie Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale infolge der anhaltend hohen Inflation. In Deutschland und im Euroraum hat die Teuerung seit Jahresbeginn stark angezogen. Die Eu­ropäische Zentralbank (EZB) sieht das als vorübergehend an. Die Zweifel und die Kritik daran nehmen aber zu (siehe Text oben). Als entscheidendes Kriterium für die Be­urteilung gilt die Lohnentwicklung. Sie kann einen temporären Inflationsschub zu einem dauerhafteren Teuerungsproblem werden lassen – so wie in den 1970er Jahren.

Zum anderen untermauern die neuen Daten aber die Sorgen, dass die anhaltend hohe Inflation zunehmend die reale Kaufkraft der Verbraucher vermindert und damit den Konsum belastet – der als wesentliche Konjunkturhoffnung gilt. In der Coronakrise hatten viele private Haushalte deutlich mehr gespart. Wenn dieses Geld in den Konsum fließen würde, würde das das Wachstum erheblich ankurbeln. Ein sattes Reallohnminus wie im dritten Quartal dämpft diese Hoffnung.

Bei den Daten über die Tarifverdienste berücksichtigt Destatis laut eigener Auskunft tarifliche Grundvergütungen und durch Tarifabschlüsse festgelegte Sonderzahlungen wie Einmalzahlungen, Jahressonderzahlungen oder tarifliche Nachzahlungen.

Im verarbeitenden Gewerbe lagen die Tarifverdienste einschließlich Sonderzahlungen im dritten Quartal 2021 sogar niedriger als im Vorjahresquartal – mit einem Minus von 0,9%. Verantwortlich ist ein Sondereffekt: In der Metall- und Elektroindustrie wurde im dritten Quartal 2020 eine Pauschalzahlung geleistet, die im Jahr 2021 erst für das vierte Quartal vorgesehen ist. Ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen lagen die Tarifverdienste in der Industrie um 0,6% über dem Vorjahresniveau.

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