Keine halbe Stunde fürs Finanzpaket

Nur kurze Debatte auf EU-Videogipfel über Blockade - Einigung mit Polen und Ungarn nicht in Sicht

Keine halbe Stunde fürs Finanzpaket

Auf dem EU-Videogipfel ist es offenbar nicht gelungen, im Streit über das künftige Budget und den Wiederaufbaufonds die Blockadehaltung Polens und Ungarns aufzuweichen. Die Debatte darüber wurde von den Staats- und Regierungschefs nach nur wenigen Minuten wieder beendet.ahe Brüssel – Die Staats- und Regierungschefs der EU haben zum Auftakt ihres Videogipfels gestern Abend die Blockade des 1,8 Bill. Euro schweren Finanzpakets besprochen – die Diskussion aber schon nach deutlich weniger als einer halben Stunde abgebrochen, wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter bestätigte. Ein Grund für das schnelle Ende wurde zunächst nicht bekannt. Der Gipfel war bei Redaktionsschluss nicht beendet.Als überaus wahrscheinlich galt in Brüssel, dass Polen und Ungarn, die zu Wochenbeginn ihr Veto eingelegt hatten, sich in keiner Weise kompromissbereit gezeigt hatten. Wie aus informierten Kreisen zu hören war, sprachen zu dem Thema lediglich Michel und Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Ministerpräsidenten Ungarns und Polens, Viktor Orban und Mateusz Morawiecki, sowie ihr slowenischer Kollege Janez Jansa, der die Vetos zuletzt ebenfalls unterstützt hatte.Ein EU-Diplomat verwies am Abend darauf, dass Michel bereits alle Delegationen vor Beginn der Videokonferenz kontaktiert hatte, um die Debatte “unter Kontrolle zu halten”, wie es hieß. Michel hielt eine Videokonferenz demnach offenbar nicht für das angemessene Format, um ein solch kompliziertes Problem zu lösen.Bereits vor Beginn der Aussprache war die Bundesregierung laut Kanzlerin Merkel davon ausgegangen, dass es keine rasche Lösung geben wird. Hinzu kam, dass Orbans Kanzleramtsminister das ungarische Veto wenige Stunden vor dem Gipfel als unumstößlich bezeichnete. Polens Regierungschefs wiederum holte sich Unterstützung für seinen harten Kurs vom Parlament: Das polnische Abgeordnetenhaus unterstützte seine Haltung gestern in einer entsprechenden Resolution mit 236 zu 209 Stimmen bei einer Enthaltung. Lagarde drängtBei dem Streit geht es um die Verknüpfung des künftigen EU-Haushalts und des geplanten Wiederaufbaufonds mit einem Rechtsstaatsmechanismus, der vor allem von den Regierungen in Budapest und Warschau abgelehnt wird. Bei einem grundlegenden Verstoß gegen demokratische Werte könnten mit dem neuen Instrument Gelder gekürzt oder gestrichen werden.Gegen ihre eigene Regierung stellten sich gestern die Gewerkschaften Ungarns und Polens. Gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern Tschechiens veröffentlichten sie eine Erklärung, in der sie die Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit im EU-Haushalt der Jahre 2021 bis 2027 ausdrücklich unterstützten. Sie äußerten ihre “tiefste Besorgnis” darüber, dass ihre Regierungen das neue Rechtsstaatsinstrument zum Anlass genommen haben, das Finanzpaket zu blockieren.Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hatte die europäischen Staaten gestern ebenfalls aufgefordert, ihren Streit rasch zu beenden, damit die Mittel aus dem 750 Mrd. Euro großen Wiederaufbaufonds rasch ausgezahlt werden könnten. Eine schnelle Umsetzung sei für die weitere Bewältigung der Pandemie von großer Bedeutung, betonte die Französin bei einer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments (Econ). Es sei auch durchaus prüfenswert, ob der Wiederaufbaufonds oder ein ähnliches Instrument auch für künftige Krisen in der EU zur Verfügung stehen könne.Wie Lagarde wies auch Bundesaußenminister Heiko Maas die Regierungen in Warschau und Budapest auf die Not etlicher EU-Staaten in der zweiten Welle der Coronakrise hin. Viele Länder in Europa warteten darauf, dass die Mittel aus dem Finanzpaket endlich freigegeben würden, sagte der SPD-Politiker.Maas warnte zugleich, dass die Kompromissmöglichkeiten in dem Streit beschränkt seien. “Es gibt viele andere Mitgliedstaaten, die nicht bereit sein werden, beim Thema Rechtsstaatlichkeit noch große Kompromisse einzugehen”, sagte er. Einigen Ländern gehe schon der jetzige Kompromiss nicht weit genug. – Seite 8