LEITARTIKEL

Die bessere Alternative

Donald J. Trump nennt die Entscheidung zwischen ihm und Joe Biden die "wichtigste Präsidentschaftswahl in der Geschichte", und er hat recht. Wenn bis Dienstag bis zu 150 Millionen Amerikaner ihre Stimme abgegeben haben, werden sie nicht nur für die...

Die bessere Alternative

Donald J. Trump nennt die Entscheidung zwischen ihm und Joe Biden die “wichtigste Präsidentschaftswahl in der Geschichte”, und er hat recht. Wenn bis Dienstag bis zu 150 Millionen Amerikaner ihre Stimme abgegeben haben, werden sie nicht nur für die kommenden vier Jahre die Kräfteverhältnisse in Washington bestimmen. Sie werden zugleich eine wichtige Vorentscheidung treffen über die Zukunft dieser Demokratie, deren Fundamente seit Trumps Amtsantritt bedenklich ins Wanken geraten sind.Sollten die Umfragen wie schon 2016 falsch liegen und sollte es Trump gelingen, in letzter Sekunde das Ruder sensationell herumzureißen, dann würde sich jene systematische Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien, die der amtierende Präsident eingeleitet hat, weiter fortsetzen – womöglich gar beschleunigen. Schließlich war er während der ersten Jahre seiner Präsidentschaft vorrangig damit befasst, sich jener Kabinettsmitglieder und Berater zu entledigen, die ihm nicht nach dem Mund redeten. Mittlerweile hat sich Trump ausschließlich mit Handlangern umgeben, die seine diktatorischen Anwandlungen unterstützen und ihn sogar ermuntern.So ist das Justizministerium unter der Ägide von William Barr in eine private Anwaltskanzlei des Präsidenten ausgeartet, das ihn vor jeglicher rechtlicher Verantwortungsübernahme schützt. Unter Republikanern hat sich der Senat von einer unabhängigen legislativen Institution in einen verlängerten Arm des Weißen Hauses verwandelt. Vervollständigt hat Trump seinen Feldzug gegen den Rechtsstaat mit der mehrheitlich konservativen Besetzung des Obersten Gerichtshofs, der bei einem knappen Wahlausgang eingeschaltet werden könnte, um womöglich das Zünglein an der Waage zugunsten des Präsidenten zu spielen.Gewiss hat Trump Errungenschaften vorzuweisen, allen voran eine Steuerreform, die auf dem globalen Parkett die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft verbessert hat. Auch hat er ein deutlich nachgebessertes Handelsabkommen mit den Nachbarstaaten Kanada und Mexiko ausgehandelt. Weitere vier Jahre würden bedeuten, dass der Präsident seine “Amerika First”-Politik vorantreibt. Auch würde Trump wichtige Bündnis- und Handelspartner weiter entfremden und alles Erdenkliche unternehmen, um jenen Machtapparat, den er sorgfältig aufgebaut hat, zu festigen und sich damit jeder demokratischen sowie rechtlichen Verantwortung zu entziehen.Die Alternative zu Trump heißt Joe Biden. Er wäre mit 78 Jahren der älteste Präsident in der Geschichte. Der Demokrat ist seit fast fünf Jahrzehnten in der Politik. Er verkörpert als langjähriger Senator und Vizepräsident wie kaum ein anderer jenes politische Establishment, dem die Wähler vor vier Jahren mit der Bestätigung des Außenseiters Trump eine klare Abfuhr erteilt hatten.Wie bei jedem anderen haben sich im Verlaufe seiner langen Karriere politische Positionen teilweise gewandelt. Auch hat Biden Fehler gemacht, aus denen ihm Trump und Republikaner, die wissen, wie es um dessen Favoritenrolle bestellt ist, unbedingt einen Strick drehen wollen. Dabei ist der Demokrat ungeachtet seiner Schwächen der geeignete Kandidat, um die Coronavirus-Pandemie, die der Präsident trotz deutlich steigender Erkrankungen weiter schönzureden versucht, in den Griff zu bekommen. Völlig zu Recht meint Biden, dass die Kontrolle über die Gesundheitskrise zugleich die Voraussetzungen für einen konjunkturellen Aufschwung schafft.Auf lange Frist gesehen ist Biden auch der richtige Mann, um die tief gespaltene Nation wieder zusammenzuführen. Sowohl in seiner Zeit im Senat als auch während seiner Vizepräsidentschaft hat er sich als konsensfähiger, politisch moderater Vermittler profiliert, der auch mit konservativen Republikanern produktiv zusammenarbeiten kann. Kritiker führen ins Feld, dass der Demokrat eine Rückkehr zu jener Kultur repräsentiert, in der Karrierepolitiker und Industrielobbyisten Gesetzesinhalte bestimmen, welche die Leben von Millionen ihrer Mitbürger beeinflussen. Das mag in gewissem Maße zutreffen. Dabei versteht Biden sehr wohl, dass er auch den Interessen einer aufstrebenden Generation progressiver Demokraten Rechnung tragen muss, deren Einfluss innerhalb der Partei deutlich gewachsen ist. Ein idealer Kandidat ist Biden nicht, aber doch der richtige, um einen Schlussstrich unter eine chaotische Trump-Ära zu ziehen, welche die Demokratie unterlaufen und Partner rund um den Globus zutiefst verunsichert hat.——Von Peter De ThierEin idealer Kandidat ist Joe Biden nicht, aber der richtige, um eine tief gespaltene Nation wieder zusammenzuführen.——