Zukunftsfeste Gesundheitsbranche

DZ rechnet mit anhaltendem Trend zu erfolgsabhängigen Vergütungsmodellen - Zahlreiche Favoriten

Zukunftsfeste Gesundheitsbranche

Für den Health-Care-Sektor bringt die wachsende Verbreitung von leistungsorientierten Vergütungssystemen im Gesundheitswesen große Veränderungen. Die meisten Unternehmen aus Europa und den USA können das einer Studie der DZ Bank zufolge aber gut bewältigen.amb Frankfurt – Lange machte es für die Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen Sinn, viele und möglichst hochpreisige medizinische Behandlungen durchzuführen – egal, wie sinnvoll diese wirklich waren. Einer Studie der DZ Bank zufolge geht der Trend in den Gesundheitssystemen rund um den Globus nun aber zu neuen Vergütungsformen: Gezahlt wird zunehmend in Abhängigkeit davon, ob die Behandlungen tatsächlich Mehrwert bringen. Die großen, weltweit agierenden Healthcare-Unternehmen sind nach Ansicht der Bank für diesen Trend gut gewappnet. Zum Kauf empfehlen die Analysten Fresenius, Fresenius Medical Care (FMC), Roche und Johnson & Johnson. Erstmals beurteilt wird die Siemenstochter Healthineers, die aber nur auf “Halten” gestuft wird, ebenso wie Drägerwerk, Qiagen und Medtronic. Zum Verkauf empfohlen werden Philips und General Electric. “In vielen Industrienationen geraten die Gesundheitssysteme durch die bisherigen Erstattungssysteme, aber auch durch gesamtwirtschaftliche und demografische Faktoren seit Jahren mehr und mehr an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit”, heißt es in der Studie. Krankenkassen zahlten die erbrachten Leistungen im Wesentlichen unabhängig vom Behandlungserfolg oder von der kostentechnisch effizienten Durchführung. Nun setzten sich mehr und mehr neue Vergütungsformen durch, die sich am Mehrwert orientierten; der wird dabei definiert als nachhaltiger Heilungserfolg oder eine kosteneffiziente Leistungserbringung. Behandlungserfolg wichtigAls Beispiel für den Vormarsch wertorientierter Vergütungssysteme nennen die Analysten den “Affordable Care Act” unter Präsident Obama in den USA (“Obamacare”). In Europa gebe es große Unterschiede, eine Gemeinsamkeit vieler Länder sei das System der Fallpauschalen. Hier berechnen sich die Vergütungen anhand historischer Behandlungsaufwendungen, ergänzt um eine Reihe weiterer Faktoren. “Das System der Fallpauschalen ist unseres Erachtens eine Vorstufe wertorientierter Vergütungssysteme, da es sich vor allem an der Kostenseite und weniger am tatsächlichen Behandlungserfolg orientiert”, heißt es. Länder wie Großbritannien und Schweden hätten bereits wertorientierte Vergütungssysteme eingeführt. Nach Ansicht der Analysten wird der wesentliche Zukunftstrend in der Branche die zunehmende Verfeinerung dieser neuen Konzepte sein. Vor allem die Messmethoden im Hinblick auf die Qualität einer Behandlung stünden dabei derzeit noch am Anfang. Zunehmende Datenpunkte im Hinblick auf Patienten und Erkrankungen sowie eine immer weiter verbesserte digitale Vernetzung von medizinischen Geräten und Institutionen böten hier enorme Verbesserungspotenziale. Betroffen vom Trend hin zu diesen Modellen sind aus dem Universum der von der DZ Bank beobachteten europäischen Healthcare-Unternehmen Fresenius, FMC, Healthineers, Qiagen und Drägerwerk sowie aus dem internationalen Universum Philips, General Electric, Roche, Medtronic sowie Johnson & Johnson. Alternative ModelleGeraten wird zum einen zu Fresenius und FMC. Für den Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius wird ein Kursziel von 77 Euro (aktuell 64,06 Euro) genannt. Die Analysten sehen es als ermutigendes Zeichnen, dass die Fresenius-Krankenhaustochter Helios trotz jahrelangen Kostendrucks wegen der Vergütung nach Fallpauschalen die Profitabilität weiter steigern konnte. Die Mittelfristperspektiven blieben hervorragend, heißt es, kurzfristig sei die Aktie aber weiter durch die problematische Übernahme des US-Arzneimittelherstellers Akorn sowie Gegenwind von der Währungsseite belastet. Der faire Wert für den Dialysespezialisten FMC wird leicht von 105 auf 101 Euro (aktuell 80,04 Euro) reduziert. FMC profitiere von weitreichenden Erfahrungen mit wertorientierten Vergütungssystemen in den USA, die Gewinnperspektiven blieben auf Sicht der nächsten Jahre bei einer attraktiven gegenwärtigen Bewertung positiv.Ebenfalls empfohlen wird der Schweizer Pharmariese Roche (Kursziel 270 sfr, aktuell 217,10 sfr). Der Weltmarktführer für Krebsmedikamente stelle sich explizit einem wertorientierten Ansatz bei der Preisgestaltung, heißt es, außerdem erweitere der Konzern seine Medikamentenpalette sehr erfolgreich über die Krebsbehandlung hinaus. Die Angst vor zu starker biogenerischer Konkurrenz halten die Analysten für unbegründet. Ebenfalls geraten wird zum Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson (Kursziel 160 Dollar, aktuell 130,45 Dollar). Die breite, krisenfeste Aufstellung spreche weiter für die Aktie. Positives vorweggenommenNeu aufgenommen in die Bewertung wird die Siemens-Tochter Healthineers, die im März an die Börse gegangen ist. Doch wird die Aktie nur auf “Halten” gestuft mit Kursziel von 34 Euro (aktuell 32,41 Euro). Auch hier werden die weitreichenden Erfahrungen mit wertorientierten Vergütungssystemen hervorgehoben. Healthineers zeichne sich zudem durch eine starke Marktposition in allen relevanten Endmärkten aus, die Analysten sehen noch Potenzial bei der Profitabilität. Das sei bei der aktuellen Bewertung aber bereits berücksichtigt. Ebenfalls für schon angemessen bewertet halten die Experten den Medizintechnikanbieter Drägerwerk (Kursziel 73 Euro, aktuell 61,30 Euro). Hier sei noch nicht abzusehen, wie sich eine weitere Ausbreitung wertorientierter Vergütungsmodelle auf den Gewinn auswirken werde. Drägerwerk kämpfe nach wie vor mit Profitabilitätsproblemen, Ziel sei, diese mit gezielten Investitionen weiter in den Griff zu bekommen. Die aktuelle Bewertung reflektiere das aber bereits. Auch dem Gendiagnostik- und Biotechunternehmen Qiagen (Kursziel 26 nach 28 Euro, aktuell 32,78 Euro) würden die Erfahrungen mit wertorientierten Vergütungssystemen zugutekommen. Außerdem rechnen die Experten damit, dass Qiagen in den kommenden Jahren aufgrund der Struktur des Produktportfolios wieder stärker wachsen wird. Das sei jedoch bereits in der Bewertung enthalten. Beim Medizintechnikkonzern Medtronic (Kursziel 85 Dollar, derzeit 79,67 Dollar) gebe es weiter Produktionsengpässe im Bereich der Insulinpumpen. Unabhängig davon sei geplant, mit Hilfe eines neuen Effizienzprogramms die Margenentwicklung auf solidere Füße zu stellen. Darüber hinausgehende Kurstreiber sehen die Analysten aber nicht. Zum Verkauf empfohlen wird der niederländische Konzern Philips (Kursziel 29,50 Euro, aktuell 32,28 Euro), der sich zu einem Anbieter für Gesundheitstechnologie wandelt. Für eine grundsätzliche Neubewertung ist es nach Ansicht der Analysten noch zu früh, auch wenn sich Aussichten und Risikoprofil zuletzt wieder etwas verbessert hätten. Der andauernde Konzernumbau werde noch für Beeinträchtigungen sorgen, meint die DZ Bank, die im Vergleich zur Konkurrenz arg verspätete Auseinandersetzung mit dem Thema “wertorientierte Vergütung” müsse nun mit Nachdruck verfolgt werden. Beim US-Mischkonzern General Electric (Kursziel 11,20 Dollar, aktuell 13,48 Dollar) sorgten die Ermittlungen der US-Börsenaufsicht SEC wegen des Versicherungsgeschäfts und die restriktivere US-Außenhandelspolitik für Unsicherheit, von der Aktie wird ebenfalls abgeraten. Nicht alle sind sich einigDie von der DZ Bank empfohlene Fresenius-Aktie hat nicht nur Anhänger. Während auch die Commerzbank, Barclays Capital, die Berenberg Bank und Société Générale den Titel empfehlen, stuft die UBS die Aktie auf “Sell”, HSBC auf “Hold”. Die UBS nennt ein Kursziel von 59 Euro und begründet das negative Votum mit dem Preisdruck durch neuen Wettbewerb bei Injektionslösungen und oralen Medikamenten. Laut HSBC (Kursziel 68 Euro) kämpft die europäische Medizintechnikindustrie mit diversen Herausforderungen, bei Fresenius wird auf die anhaltende Unsicherheit bei Kabi im Zusammenhang mit der Akorn-Übernahme und der Generika-Preisentwicklung in den USA verwiesen. Auch bei FMC rät HSBC nur zu “Hold”, ebenso wie Barclays Capital und die Commerzbank. Zum Einstieg raten J.P. Morgan, Kepler Cheuvreux und die Berenberg Bank.