Europas Indizes

Wieder ein differenziertes Bild

Nachdem die meisten europäischen Aktienindizes im vergangenen Jahr – ausgehend von den „Corona-Lows“ im März 2020 – mehr oder weniger ausgeprägte Bilderbuch-Hausse-Bewegungen durchlaufen haben, zeigt sich jetzt wieder eine technisch differenziertere...

Wieder ein differenziertes Bild

Von Petra von Kerssenbrock*)

Nachdem die meisten europäischen Aktienindizes im vergangenen Jahr – ausgehend von den „Corona-Lows“ im März 2020 – mehr oder weniger ausgeprägte Bilderbuch-Hausse-Bewegungen durchlaufen haben, zeigt sich jetzt wieder eine technisch differenziertere Kursentwicklung bei den jeweiligen Länderindizes. Vor dem Hintergrund des einsetzenden Konjunkturaufschwungs und der Erwartung, dass die ultralockere Geldpolitik sich ihrem Ende nähert, kommt es zu einer stärkeren Aufspaltung bei den Aktienindizes, wobei auch die Zusammensetzung der Aktienindizes – eher technologie- oder eher industrielastig – großen Einfluss hat. Insgesamt kann man die europäischen Aktienindizes in drei technische Gruppen einteilen. In der ersten Gruppe sind Indizes zu nennen, die lange eine relative Stärke innehatten und bei denen ein Zukauf stark prozyklisch wäre. Hierzu gehören z.B. der niederländische AEX und der schwedische OMX Stockholm. In der zweiten Gruppe sind Indizes zu nennen, die aktuell eine mittelfristige relative Schwäche aufweisen, die sich zunächst fortsetzen sollte. Dies gilt z.B. für den Schweizer SMI, der in 2020 noch der technische „Save Haven“ in der Krise war. In der dritten Gruppe sind Aktienindizes, deren technische Gesamtlage sich zuletzt verbessert hat. Dazu gehören die durch die Pandemie besonders belasteten Indizes aus Italien, Portugal und Spanien, die jetzt zu den Re-Opening-Gewinnern gehören sollten. Hinzu kommen z.B. der österreichische ATX und der französische CAC 40.

Chance auf Allzeithoch

Der französische CAC 40 umfasst die 40 nach Free-Float-Marktkapitalisierung größten und liquidesten an der Euronext in Paris notierten Aktien. Dieser Kursindex weist aktuell eine (Brutto-)Jahresdividendenrendite von knapp 2% auf. Der CAC 40 befand sich – ausgehend von einem Niveau um 2465 Punkte (März 2009) – in einem moderaten technischen Hausse-Zyklus. Im Oktober 2019 sprang der Index über die mittelfristige Resistance-Zone um 5600 Punkte und erreichte im Februar 2020 seine damaligen Hausse-Tops bei 6111 Punkten. Hierbei testete und bestätigte der CAC 40 die langfristige Resistance-Zone aus dem Jahr 2007. Durch die anschließende „Corona-Baisse“ verließ der Index seinen technischen Hausse-Zyklus zur Seite, sodass der Zyklus aus übergeordneter technischer Sicht eine Pause einlegte. Die „Corona-Baisse“ sorgte im Index für einen technischen Sell-off bis auf 3632 Punkte, wobei der CAC 40 – nicht zuletzt aufgrund seines Anteils an Öl & Gas- bzw. Finanzaktien – zunächst eine relative Schwäche im europäischen Vergleich aufwies. Ende 2020 konnte der Index zunächst in die Resistance-Zone um 5600 Punkte aus den Jahren 2017 bis 2019 heranlaufen. Das Kaufsignal aus dem Februar 2021 führte den Index dann in eine neue Aufwärtsbewegung, wobei die Resistance-Zone 6100 bis 6200 Punkte direkt überwunden wurde. Unterstützt durch den hohen Anteil an Luxusgüterproduzenten und Industriewerten hat der CAC 40 in den letzten Wochen und Monaten eine relative Stärke im europäischen Indexvergleich aufgebaut. Diese sollte sich auch in den kommenden Monaten fortsetzen, wobei sich als nächstes technisches Etappenziel 6500 bis 6600 Punkte andeuten. Aus langfristiger technischer Sicht besteht die Chance, dass der CAC 40 seine Allzeithochs um 6800 bis 6950 Punkte (stammt aus dem Jahr 2000) ins Visier nimmt.

Ibex Reopening-Gewinner

Der spanische Ibex 35, ein Kursindex, ist nach Free-Float-Marktkapitalisierung gewichtet und umfasst die 35 liquidesten Titel der Madrider Aktienbörse. Dieser Kursindex weist aktuell eine (Brutto-)Jahresdividendenrendite von knapp 2,8% auf. Trotz der vielen Facetten im Index ist der Ibex 35 besonders vom spanischen Bankensektor mitgeprägt. Deshalb darf die relative Schwäche der letzten Jahre im europäischen Indexvergleich nicht überraschen. Der Index befindet sich seit April 2015 – im Gegensatz zu vielen anderen Aktienindizes in Europa – ausgehend von 11885 Punkten in einer Baisse-Bewegung (zentrale Baisse-Trendlinie ist aktuell bei 9730 Punkten angekommen). Innerhalb dieser Bewegung ist es bisher zu einem Wechselspiel aus Verkaufssignalen, Abwärtstrends und Zwischenerholungen gekommen. Das Kursniveau um 10100 Punkte (Februar 2020) markierte im Index den Start in die beschleunigte „Corona-Baisse“, die erst in einem Sell-off auf 5814 Punkte im Bereich der seit 2002/2003 bestehenden, langfristigen Support-Zone (5300 bis 5900) endete.

Die anschließende Erholung verlief zunächst sehr schleppend, wobei sich eine Bodenformation (mit dem Charakter eines Doppelbodens) herausbildete. Im November 2020 sprang der Index mit einem Kaufsignal dynamisch nach oben an, überwand die 200-Tage-Linie und testete die Resistance um 8000 bis 8025 Punkte. Seit Anfang 2021 konnte der Index eine neue Aufwärtsbewegung mit hohem Momentum etablieren. Aus technischer Sicht hat sich damit die mittelfristige Lage im Index deutlich verbessert. Als Konsequenz sollte noch 2021 ein Verlassen des Baisse-Trends anstehen und sich der Index danach bis zur nächsten, mittelfristigen Resistance-Zone von 10000 bis 10100 Punkten vorarbeiten.

*) Petra von Kerssenbrock ist bei der Commerzbank im Bereich Technische Analyse & Index Research tätig.