Noch lange ultraniedrige Zinsen

Teilnehmer der Kapitalmarktkonferenz der DZ Bank raten zu Aktien, Immobilien und alternativen Anlagen

Noch lange ultraniedrige Zinsen

Die Teilnehmer der Kapitalmarktkonferenz der DZ Bank sind sich einig, dass den Anlegern das Umfeld ultraniedriger Zinsen noch bis mindestens Ende 2020 erhalten bleibt. Die EZB wird möglicherweise noch weiter senken. Anlagestrategen raten daher zu Aktien, Immobilien und alternativen Anlagen.ku Frankfurt – Anleger in Deutschland und den anderen europäischen Ländern dürfen sich noch auf eine längere Phase mit ultraniedrigen Zinsen einstellen. Darüber waren sich die Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf der Kapitalmarktkonferenz 2019 der DZ Bank in Frankfurt einig. So rechnet beispielsweise Johannes Müller, Head of Macro Research der DWS, damit, dass eine erste Zinsanhebung durch die Europäische Zentralbank (EZB) erst nach dem Jahr 2021 erfolgen wird. Dieselbe Meinung vertraten mit großer Mehrheit sämtliche Besucher der Kapitalmarktkonferenz, die per Smartphone-App abstimmen konnten. Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement der Union Investment Privatfonds, geht sogar davon aus, dass es gar keine Zinserhöhungen mehr geben wird, da Europa japanische Verhältnisse drohten. Ingo Mainert, Chief Investment Officer Multi Asset Europe bei Allianz Global Investors, sieht gar für die kommenden 12 bis 18 Monate Zinssenkungspotenzial in der Eurozone. Auch Stefan Bielmeier, Bereichsleiter Research der DZ Bank, ist der Auffassung, dass die Zinsen eher noch weiter sinken werden. Japan als VorbildDamit stehen die Anleger in Europa vor Herausforderungen: “Wir sollten die Verhältnisse am japanischen Kapitalmarkt als ein Vorbild für Europa ansehen”, so Engels. Mit Blick auf die niedrigen Zinsen sieht er Opportunitäten insbesondere auf der Aktienseite, wobei er allerdings die aktive Selektion geeigneter Titel für besonders wichtig hält in einem Umfeld, das wie in Japan durch niedrige Zinsen, eine niedrige Inflation und niedriges Wachstum geprägt sein werde. Alle Teilnehmer des Panels sprachen sich für eine breite Diversifizierung der Portfolios aus, mit einem Fokus auf internationale Assets, da es in Europa Profit- und Wachstumsprobleme gebe, und dabei vor allem auch mit angemessener Berücksichtigung von Schwellenländer-Assets. Als attraktiv werden aber auch alternative Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur und sogar Landwirtschaft angesehen. Gefordert wurde aus diesem Grund auch eine Liberalisierung der Regulierung der Branche mit der Möglichkeit, dass diese mehr in alternative Anlagen investieren darf, weil sich ohne diese Möglichkeiten keine beispielsweise für die private Altersvorsorge erforderlichen Renditen erwirtschaften ließen.Zumindest temporär werden aber auch Chancen am Bondmarkt gesehen: “Solange die Zinsen weiter sinken, funktioniert auch die klassische Anleiheinvestition noch”, erläutert Engels. Bundesanleihen gehörten derzeit zu den am besten performenden Assets.Nach Einschätzung von Mainert hat es die EZB ab 2015 versäumt, nach Vorbild der amerikanischen Notenbank Federal Reserve eine Normalisierung der Geldpolitik einzuleiten. Die konjunkturelle Lage hätte dies zugelassen, glaubt er. Nach Ansicht von Engels befindet sich die Eurozone nach wie vor in einer Situation, in der die berühmte Aussage “Whatever it takes” des EZB-Präsidenten Mario Draghi vom 26. Juli 2012 gelte, die damals zur Stabilisierung der Lage im Rahmen der Schuldenkrise beigetragen hatte. Weil die EU und die Mitgliedsländer in der Fiskal-, Struktur- und Geopolitik versagten, bleibe letztlich nur die ultraexpansive Geldpolitik. Da sich die Geldpolitik der EZB zwangsläufig an den Notwendigkeiten der schwachen Mitglieder der Eurozone wie derzeit Italien orientiere, mahnten die Teilnehmer der Diskussionsrunde in dem Land umfangreiche und tiefgehende Reformen an. Rezession nicht in SichtVolker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Bundesregierung, beurteilte in einem Vortrag die konjunkturelle Lage verhalten positiv. Es handele sich zwar um den längsten Aufschwung in der Geschichte der Bundesrepublik, ein Aufschwung “stirbt aber nicht daran, dass ein Höchstalter erreicht” sei. Es müssten weitere Faktoren hinzukommen. In diesem Zusammenhang nannte er den zunehmenden Protektionismus mit einem Rückgang des Welthandels und den Brexit. Eine Rezession sieht Wieland allerdings nicht voraus, im Gegenteil: Im Inland liege die Wirtschaftsleistung über dem Pfad des Potenzialwachstum. Rückgänge infolge der Überauslastung der Kapazitäten und eines spürbaren Arbeitskräfteengpasses wertet er daher als eine Normalisierung.Wieland geht davon aus, dass der Wettkampf um die Vorherrschaft in ökonomischer und militärischer Hinsicht zwischen den USA und China noch für eine längere Zeit weitergehen wird. Es gebe aber keinen Grund, deswegen graue Haare zu bekommen, betonte er. Der mit dem Untergang der Sowjetunion beendete Kalte Krieg sei schlimmer gewesen. Wieland rechnet damit, dass US-Präsident Donald Trump bei den nächsten Wahlen im Jahr 2020 wiedergewählt wird. Protektionismus und Kampf gegen Immigration seien keine Themen, die die USA spalteten. Trump setze in seiner Politik nur das um, was er angekündigt habe. Wieland zeigte sich verhalten zuversichtlich, dass es nicht bei den sehr harten handelspolitischen Maßnahmen der US-Regierung bleiben werde. Mit Blick auf Mexiko sagte er, die Trump-Administration habe vor der jüngsten Eskalation vorher angekündigte Strafzölle auf Stahl und Aluminium auch wieder zurückgenommen.