Nachhaltigkeitsdebatte erreicht die Vergütung

Diverse Regelwerke knüpfen das Netz der ESG-Anforderungen dichter - EU verpflichtet den Finanzsektor zur Offenlegung

Nachhaltigkeitsdebatte erreicht die Vergütung

Der Finanzsektor muss nicht nur in der Kreditvergabe und der Kapitalanlage zunehmend Vorgaben zur Nachhaltigkeit beachten. Auch mit Blick auf die Vergütung kommen diverse Anforderungen auf ihn zu. Deren Umsetzung ist komplex, der Stand der Vorbereitung ausbaufähig, und die Zeit drängt.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDas Netz der Anforderungen an den Finanzsektor, das Regulierer und Aufseher mit Blick auf Nachhaltigkeit knüpfen, wird zunehmend enger, und dies immer rascher. Hatte die Debatte zunächst etwa um die Wertentwicklung lang laufender, “brauner” Assets in der Kapitalanlage der Assekuranz gekreist, so weitete sie sich im vergangenen Jahr mit dem Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken deutlich aus. Dessen Essenz: Banken sind angehalten, klimabedingte Risiken in ihren operativen Prozessen zunächst zu erfassen, um sie dann in ihre Steuerung einzubetten. Während die Institute sich nun mit der Aufgabe konfrontiert sehen, Daten etwa zum Kohlendioxid-Ausstoß von Schuldnern zusammenzutragen, die vielfach selbst über diese Angaben nicht verfügen, geschweige denn diese offenlegen wollen, zündet die nächste Stufe regulatorischer Vorgaben: Sie koppeln die Vergütung an Kriterien der Nachhaltigkeit. Bislang galten Saläre schon als nachhaltig, wenn sie langfristig ausgerichtet waren. Jetzt rücken klassische Nachhaltigkeitsaspekte der Ökologie, des Sozialen und der Governance (ESG) in den Blickpunkt: Die Nachhaltigkeitsdebatte hat die Vergütung erreicht.Bei Licht besehen ist dies die logische Folge des Bemühens, den grünen Wandel voranzutreiben. In der Praxis bedeutet dies Kopfschmerzen für die mit der Umsetzung befassten Manager. Ein Problem: Nachhaltigkeitsrisiken haben einen sehr langen Zeithorizont und sind überdies schwierig zu messen: Im Gegensatz etwa zum Massengeschäft, dessen Steuerung auf einer Unzahl von Datenpunkten zu Kreditausfällen fußt, liegen vergleichbare historische Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken schlicht nicht vor.Hinzu kommt: Schon bisher schneiden deutsche Banken, wenn es um Nachhaltigkeit geht, schwer mittelmäßig ab, zumindest laut einem Rating von 14 großen deutschen Banken durch den WWF Deutschland und das Institut für nachhaltige Kapitalanlagen (siehe Grafik). “Der Handlungsbedarf aus Pay for Sustainability in puncto Governance, Design und Offenlegung der Vergütungssysteme erscheint für viele Banken erheblich”, stellt das Beratungshaus Compgovernance fest. EZB gibt Leitlinien vorSo hat die europäische Bankenaufsicht im Mai dem eher allgemein gehaltenen Merkblatt der BaFin dezidiertere Leitlinien folgen lassen. Sie fordern die unter direkter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) stehenden Großbanken zum Beispiel dazu auf, mit ihrer Vergütung der Beschäftigten ein Verhalten zu fördern, das mit der Steuerung von Klima- und Umweltrisiken vereinbar ist. Das mag sich vage anhören, hat aber konkrete Effekte: Schon ab Ende dieses Jahres müssen die Institute die EZB informieren, wenn sie von den aufsichtlichen Erwartungen abweichen. “Im Rahmen von aufsichtsrechtlichen Gesprächen haben die großen Banken somit ab dem Jahresende 2020 unter anderem Rede und Antwort zur Nachhaltigkeit ihrer Vergütungssysteme zu stehen”, sagt Werner Klein, Inhaber des Beratungshauses Compgovernance, der Börsen-Zeitung. Schon das Merkblatt der BaFin hatte eine “Vorbildfunktion” der beaufsichtigten Institute angemahnt und diese aufgefordert, sich zu fragen, ob ihre Vergütungssysteme einem angemessenen Management von Nachhaltigkeitsrisiken zuträglich seien. Dabei wird es nicht bleiben.Neben Banken bekommen auch Assetmanager mit dem Thema zu tun. Ab März 2021 ist eine EU-Verordnung zu allgemeinen Offenlegungspflichten anzuwenden, die neben anderem die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Vergütungspolitik regelt: “Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater geben im Rahmen ihrer Vergütungspolitik an, inwiefern diese mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht, und veröffentlichen diese Informationen auf ihren Internetseiten”, ist darin festgelegt. Mit “Finanzmarktteilnehmern” gemeint sind “vor allem Kapitalverwaltungsgesellschaften und institutionelle Investoren sowie Institute, die Portfolioverwaltung erbringen”, wie die BaFin erläutert. Finanzberater sind demnach Versicherungsvermittler, die fondsbasierte Versicherungsprodukte anbieten, Wertpapierfirmen, Kreditinstitute und andere, soweit sie Anlageberatung leisten.Weitere EU-Vorgaben sind in Arbeit. So dürften Versicherer bald dazu aufgefordert werden, in ihrer Vergütungspolitik anzugeben, wie Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagementsystem Berücksichtigung finden. Im Rahmen der Konsultation ihrer neuen Sustainable-Finance-Strategie wirft die Kommission auch die Frage auf, ob ein Teil der variablen Vergütung mit der nichtfinanziellen Performance eines Unternehmens verknüpft werden sollte. Von der European Banking Authority (EBA) sowie der EU-Wertpapieraufsicht ESMA zur Konsultation gestellte Leitlinien sehen zudem vor, dass Banken Angaben “zu angemessenen Governance-Strukturen veröffentlichen, zu denen zwingend auch die Nachhaltigkeitsaspekte der Vergütungssysteme zählen”, hält Compgovernance fest. LBBW sticht herausDie BaFin hat die Vorbereitungen in der deutschen Kreditwirtschaft eigenen Angaben zufolge im Blick, hält es allerdings noch für zu früh, diese zu beurteilen. Die Zusicherung eines großen deutschen Instituts, selbstverständlich befasse man sich mit diesem Thema, wird bei Beobachtern recht trocken mit der Feststellung gekontert, dafür sei es im Falle der EZB-Leitlinien allerdings an der Zeit; bis Jahresende blieben schließlich nur mehr fünf Monate.Die Offenlegungspraxis deutscher Institute hält Compgovernance bislang für “eher durchwachsen”: “Echte vergütungsbezogene Inhalte zur Nachhaltigkeit sind eher selten. Nur wenige Berichte zeigen hierzu eine Good Practice.” Als Lichtblick hebt Compgovernance die LBBW hervor. Die Landesbank sticht mit ihrem Nachhaltigkeits-Engagement schon seit längerem aus einer in dieser Hinsicht sehr unscheinbaren Sparkassen-Finanzgruppe heraus. So informiert die LBBW in ihrem Nachhaltigkeitsbericht darüber, dass sie bereits seit 2017 Nachhaltigkeit als eine von vier strategischen Stoßrichtungen für den Konzern berücksichtige und danach unter anderem auch die Höhe des Budgets für variable Bonuszahlungen bestimme, hält Compgovernance fest. Viele Institute schauen indes auf “eine größere neue Baustelle”, wie Compgovernance-Manager Klein meint. Wie immer gelte dabei, dass größere Institute dank ihrer Vorteile mit Blick auf die Ressourcen eher Geschwindigkeit aufnehmen könnten als kleine Institute.