PARADIGMENWECHSEL

Für Risikomanager wird es heiß

Finanzierungen fossiler Brennstoffe erweisen sich als schädliche Brocken in den Bankbilanzen

Für Risikomanager wird es heiß

Von Karin Böhmert, Frankfurt”Heatmaps” heißen sie, die roten Listen. Sie machen Nachhaltigkeitskriterien entsprechend ihrer Relevanz und Dringlichkeit für einzelne Sektoren grafisch oder durch Skalierung sichtbar. Sie geben damit Risikomanagern von Banken einen ersten, aber wichtigen Anhaltspunkt, wo Handlungsbedarf besteht. Denn die Heatmaps stufen Transitionsrisiken über eine Zeitachse hinweg ein, die im Zusammenhang mit einer Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft entstehen können, weil durch politische Maßnahmen insbesondere fossile Energieträger aufgrund ihres hohen CO2-Ausstoßes verdrängt werden sollen.Die Liste der Wirtschaftssektoren, die auf diesen Heatmaps erscheinen, ist umfangreich und betrifft Land- und Forstwirtschaft ebenso wie die produzierende Industrie, Elektrizität, fossile Energien und Transport auf der Straße, auf See und in der Luft bis hin zur Bau- und Immobilienwirtschaft. Banken stehen in der Regel mit Unternehmen aus allen diesen Wirtschaftssektoren in der einen oder anderen Art in einer Geschäftsbeziehung, sei es über Kreditvergabe, Transaction Banking oder als Berater bei Börsengängen oder Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions). Risikomanager einer Bank sind also gefordert, die Engagements ihres Instituts individuell zu prüfen und konkrete Risiken zu erfassen, um gegebenenfalls eine Risikovorsorge zu bilden, wenn Preiskorrekturen von Vermögenswerten drohen oder der Umsatz von Unternehmen einbricht, denen die Bank Kredite ausgereicht hat.Dass für Finanzinstitute Risiken infolge des Klimawandels entstehen, sorgt zunehmend die Aufseher aller Herren Länder bis hin zur neuen Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, die der europäischen Notenbank nun auch eine Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zuschreiben will. Doch braucht es ein weiteres Regel-Konvolut, dessen Details ohnehin erst in Jahren ausgearbeitet werden können, bis sie irgendwann einmal greifen? Das kann zu spät kommen. Hält zudem der Hype um den Klimawandel an, geraten immer mehr Unternehmen und die sie finanzierenden Banken in den Fokus. Als Folge könnte sich eine öffentliche Ächtung breitmachen, indem in klimaschädlichen Bereichen involvierte Banken und Unternehmen bei einer Auftragsvergabe gemieden werden oder Kunden ihre Beziehung einstellen.Für Risikomanager ist dieses Risiko kaum vollständig zu greifen. Ein Bild machen können sie sich aber mit Blick auf einen dicken schädlichen Brocken in den Bankbilanzen: fossile Brennstoffe. Banken finanzieren klimaschädliche Energieträger bzw. deren Produzenten. Und das Finanzierungsvolumen, das Banken seit dem Pariser Klimaabkommen von 2016 bis 2018 für fossile Brennstoffe ausgereicht haben, hat keineswegs abgenommen, wie manche zu hoffen wagten. Ganz im Gegenteil haben die 33 weltweit größten Banken es von 612 Mrd. Dollar 2016 über 646 Mrd. Dollar 2017 auf 654 Mrd. Dollar 2018 ausgeweitet, wie aus einer Aufstellung von Bank Track hervorgeht – einer Organisation, die aus einem Netzwerk von Greenpeace, Friends of the Earth und anderen Umweltgruppen hervorgegangen ist (siehe Grafik).Die größten Sünder, gemessen an der Finanzierung fossiler Energieträger bzw. der Unternehmen, die in diesem Geschäft tätig sind, sind US-Banken. Sie profitieren offenbar davon, dass US-Präsident Donald Trump das Pariser Klimaabkommen ablehnt. Die US-Banken konnten somit ungehindert die Finanzierung klimaschädlicher Energien ausweiten, während andere Institute die Zeichen der Zeit erkannt haben und sukzessive aussteigen, auch wenn dadurch Ertragsströme versiegen. J.P. Morgan ist Bank Track zufolge der “weltweit schlimmste Banker” für das Klima. Fast 200 Mrd. Dollar hat die Bank seit dem Pariser Klimaabkommen im Zeitraum 2016 bis 2018 in CO2-schädliche fossile Brennstoffe gepumpt.Da wirkt es schon wie Hohn, wenn sich Jamie Dimon, CEO von J.P. Morgan, als Fürsprecher des Klimaabkommens gibt und Trumps Haltung kritisiert. Denn J.P. Morgan hat im Betrachtungszeitraum sogar ein Drittel mehr an fossilen Finanzierungen ausgereicht als der zweitfleißigste Finanzierer Wells Fargo, die innerhalb von zwei Jahren ihr Volumen sogar verdoppelt hat und nun auf 151 Mrd. Dollar kommt. Citi (129 Mrd. Dollar) und Bank of America (106 Mrd. Dollar) komplettieren das US-amerikanische Desaster-Quartett an der Spitze der Banken-Klimasünder. Große Öl- und GasindustrieDie Dominanz der vier US-Institute spiegelt auch die schiere wirtschaftliche Größe der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie wider. Dick in dem Geschäft sind aber auch Morgan Stanley und Goldman Sachs, die an 11. und 12. Stelle des Rankings von Bank Track stehen. Allein diese sechs US-Banken stehen für 37 % des weltweiten Finanzierungsvolumens schädlicher fossiler Brennstoffe seit Paris. Immerhin passen US-Banken inzwischen ihr Regelwerk stückweise an und wollen künftig zumindest keine Minen für Kraftwerkskohle oder die Exploration von Öl in der Arktis mehr direkt finanzieren, wie dies erst in diesen Tagen Goldman Sachs verkündet hat.Doch auch in anderen Regionen glänzen Banken nicht. In Kanada steht die Royal Bank of Canada (RBC) im Betrachtungszeitraum an der Spitze der größten Finanzierer fossiler Energien und weltweit hinter den US-Häusern gleich an 5. Stelle, dicht gefolgt an 6. Stelle von Barclays, der Nummer 1 in Europa, auch wenn diese Bank das Volumen sukzessive drosselt.Auffallend ist, dass vor allem europäische Banken immer mehr aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen aussteigen. Dazu zählen HSBC, Credit Suisse, Deutsche Bank, BNP Paribas, Unicredit und Royal Bank of Scotland (RBS). Letztere hat es schon eingestellt. Gerade französische Banken haben es im Betrachtungszeitraum gleichwohl noch ausgeweitet, wie Société Générale, Crédit Agricole und Natixis, ebenso die schweizerische UBS und die britische Standard Chartered.Ihre Finanzierungen verstärkt hat auch die Nummer 1 in Japan, MUFG, zudem in China die Bank of China, wofür – wie auch bei den anderen chinesischen Banken – vor allem die Finanzierung von Kohleförderung verantwortlich ist. Immerhin haben 21 der 33 von Bank Track untersuchten Banken die Finanzierung rund um Kohle eingeschränkt. Zehn – alles europäische Banken – haben Ölsand-Finanzierungen eingeschränkt, aber nur eine Bank (BNP Paribas) Fracking- und LNG-Finanzierungen (Liquefied Natural Gas).Es besteht also Handlungsbedarf, den die Institute aufgreifen. “Die Banken nehmen eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft ein”, sagte Carola von Schmettow, Deutschland-Chefin von HSBC und Vorstandsmitglied des Bankenverbandes, anlässlich der 25. Weltklimakonferenz in Madrid im Dezember. “Diese Verantwortung nehmen wir an. Die Banken stehen bereit, technologische Innovationen im Bereich Klimaschutz zu finanzieren.” Radikaler SchwenkWürden allein die von Bank Track untersuchten 33 Banken die in den vergangenen drei Jahren zur Finanzierung klimaschädlicher Brennstoffe ausgereichten 1,9 Bill. Dollar stattdessen in den nächsten drei Jahren in den Klimaschutz investieren, käme die Welt ihrem Klimaziel wohl ein erhebliches Stück näher. Ein solch radikaler Schwenk in der Kreditpolitik würde allerdings die Risikomanager wohl noch stärker ins Schwitzen bringen. Sie stehen ohnehin vor der Gratwanderung, den Ausstieg aus fossilen Aktivitäten so rasch voranzutreiben, dass ihnen Abschreibungen auf wertlose Assets erspart bleiben, zugleich aber langsam genug, um ihre Organisation nicht zu überfordern oder gar zu destabilisieren.