GASTBEITRAG

Europarente ermöglicht zeitgemäße Altersvorsorge

Börsen-Zeitung, 20.8.2020 Wir brauchen dringend eine Reform der privaten Altersvorsorge. Das ist in Deutschland parteiübergreifend Konsens und wird inzwischen selbst von der Versicherungslobby unterstützt. Erst kürzlich hat deren Vertreter Jörg...

Europarente ermöglicht zeitgemäße Altersvorsorge

Wir brauchen dringend eine Reform der privaten Altersvorsorge. Das ist in Deutschland parteiübergreifend Konsens und wird inzwischen selbst von der Versicherungslobby unterstützt. Erst kürzlich hat deren Vertreter Jörg Asmussen eine “Riester-Revolution” gefordert. Tatsächlich bringt die EU mit der “Europarente” eine Möglichkeit in Stellung, die Probleme bei der privaten Altersvorsorge endlich anzugehen.Aus deutscher Sicht ist diese Schützenhilfe bitter nötig: Die große Koalition hatte sich bezüglich der finanziellen Absicherung im Alter zwar einiges vorgenommen, aber bisher noch nicht geliefert. Bei wesentlichen Themen wie der Versicherungspflicht für Selbständige, der säulenübergreifenden Renteninformation und der Einführung eines Standardproduktes ist mehr als fraglich, ob es hier bis zum Ende der Legislaturperiode einen Fortschritt gibt.Beim Thema Standardprodukt kann es nun vorangehen: Am 14. August hat die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA den Gesetzentwurf zur Umsetzung der sogenannten “Europarente” vorgelegt. Wenn diese dann Ende 2021 in Kraft tritt, entsteht erstmals ein europäischer Binnenmarkt für Altersvorsorge. Mit der Europarente – beziehungsweise dem Pan-European Personal Pension Product (Pepp), wie es offiziell heißt – wird der Rahmen für eine wirklich zeitgemäße private Altersvorsorge in Europa geschaffen.Dieser Binnenmarkt wird Vorteile sowohl für Anbieter als auch – und das ist noch viel wichtiger – für Verbraucher und Verbraucherinnen bringen. Der sogenannte “Produktpass” gewährt Banken, Versicherern und anderen Anbietern mit einer einmaligen Produktregistrierung auf Grundlage einheitlicher Vorschriften Zugang zum gesamten EU-Markt. Kostengünstig und nachhaltigDamit der Zugang zu privater Altersvorsorge aus Verbrauchersicht möglichst einfach ist, werden alle Pepp-Anbieter verpflichtet, eine einfache und erschwingliche Standardoption anzubieten: das sogenannte “Basis-Pepp”. Mit dem Standardprodukt setzt die EU ganz neue Maßstäbe beim Verbraucherschutz. Die jährlichen Kosten sind per Kostendeckel bei 1 % des angesparten Kapitals begrenzt. Ein Kapitalschutz stellt sicher, dass die Sparer das eingezahlte Kapital zurückerhalten. Dabei sind neben klassischen Garantien auch explizit alternative Ansätze zur Risikoreduktion vorgesehen, die vergleichbare Sicherheit zu deutlich niedrigen Kosten bieten. Als europäische Lösung kann die Altersvorsorge grenzüberschreitend genutzt beziehungsweise mitgenommen werden. Alle fünf Jahre kann außerdem der Anbieter den Plänen zufolge kostenlos gewechselt werden.Auch das Thema Nachhaltigkeit kann mit der Europarente endlich eine größere Rolle in Sachen Altersvorsorge spielen. Bisher ist aber nur eine unverbindliche Kennzeichnung vorgesehen, ob bei der Geldanlage sogenannte ESG-Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Die verbindliche Berücksichtigung von ESG-Kriterien für die Europarente wäre ein großer Schritt in Richtung der Ziele des Green Deals, den die EU zum Erreichen der Klimaziele ausgerufen hat. Deutschland könnte hier im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Impulse setzen.Per Verordnung wird die Europarente Ende kommenden Jahres direkt in allen Mitgliedsländern in Kraft treten. Entscheidend für den Erfolg wird jedoch die steuerliche Behandlung sein, die den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen ist. Es ist zu hoffen, dass die Europarente gegenüber anderen Produkten steuerlich nicht benachteiligt wird und in Deutschland mindestens die gleichen Steuervorteile wie zum Beispiel für die Riester- und Rürup-Rente gelten werden. Widerstand zeichnet sich abDie deutsche Politik bekommt hier eine Lösung für die privaten Altersvorsorge auf dem Silbertablett serviert. Dabei ist aber mit Widerstand der Versicherungslobby zu rechnen, der die Europarente beim Thema Verbraucherschutz, insbesondere hinsichtlich des Kostendeckels, mit Sicherheit zu weit geht. Dennoch bleibt der Appell an die deutsche Politik, die Chance für ein wirklich zeitgemäßes Altersvorsorgeprodukt nicht verstreichen zu lassen. Til Klein, Gründer und CEO des Fintech-Start-up Vantik