LEITARTIKEL

Die Ruhe vor dem Sturm

In Italiens Bankenlandschaft herrscht helle Aufregung. Gerade erst ist die Ubi Banca, bis dahin fünftgrößtes Institut, von Branchenführer Intesa Sanpaolo geschluckt worden. Und nun will der französische Crédit Agricole, der bereits mehrere Banken in...

Die Ruhe vor dem Sturm

In Italiens Bankenlandschaft herrscht helle Aufregung. Gerade erst ist die Ubi Banca, bis dahin fünftgrößtes Institut, von Branchenführer Intesa Sanpaolo geschluckt worden. Und nun will der französische Crédit Agricole, der bereits mehrere Banken in Mittelitalien kontrolliert, den lombardischen Creval übernehmen. Angeblich gibt es auch Gespräche zwischen der Mailänder BPM und der BPER aus Modena zur Bildung einer dritten Großbank. Und Rom sucht dringend einen Käufer für die mehrheitlich staatliche Monte dei Paschi di Siena (MPS). Die viertgrößte Bank Italiens muss privatisiert werden. Ginge es nach der Regierungspartei 5-Sterne-Bewegung, sollte die MPS mit den mit Staatshilfen geretteten Instituten Volksbank von Bari und Carige zu einer Staatsbank fusioniert werden.Weitere Übernahmen sind wahrscheinlich, denn viele Institute sind nicht wetterfest. Zwar fielen die Zahlen im dritten Quartal dank Kostensenkungen, niedrigerer Rückstellungen für Problemkredite und einem guten Tradinggeschäft besser aus als erwartet. Doch das war wohl nur die Ruhe vor dem Sturm. Die mit Staatsbonds vollgesogenen Institute profitierten von dem gewaltigen Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) und europäischen Hilfen. Die Folge sind eine üppige Liquidität und unerwartet günstige Refinanzierungskosten. Außerdem wurden die staatlichen Kreditmoratorien über insgesamt mehr als 300 Mrd. Euro bisher immer verlängert. Laufen sie aus, und das wird irgendwann der Fall sein, dann drohen nach Schätzung von Experten Kreditausfälle von bis zu 160 Mrd. Euro. Es kommt hinzu, dass die Bankenaufsicht EBA die bereits beschlossene Verschärfung der Regeln für die Einstufung von Darlehen als ausfallgefährdet über kurz oder lang umsetzen wird.Düstere Aussichten für Italiens Banken: Denn der Konjunktureinbruch im Belpaese ist stärker als in fast allen anderen Ländern. Das Land steuert auf eine Verschuldung von mehr als 160 % des Bruttoinlandsprodukts zu.Zwar haben die Banken das Volumen fauler Kredite zuletzt auf netto 3 % reduziert. Auch ist die Kapitalausstattung etwa der Intesa Sanpaolo, der HVB-Mutter Unicredit oder der Investmentbank Mediobanca mehr als komfortabel. Doch bei anderen Instituten ist die Realität bisweilen trist. Dabei ist die Konsolidierung in der Branche schon kräftig vorangekommen. Von noch vor wenigen Jahren mehr als 500 selbständigen Banken sind nur noch rund 120 übrig. Die Sparkassen sind fast völlig verschwunden, die Volksbanken auch. Die Genossenschaftsbanken sind, mit Ausnahme derer in Südtirol, unter das Dach von zwei großen Holdings geschlüpft.Es gibt noch immer zu viele kapitalschwache Institute oder gar Zombiebanken wie Carige oder die Volksbank von Bari, die Rom künstlich am Leben hält, um Beschäftigung zu sichern und Anteilseigner zu schützen. Viele Institute sitzen auf zu hohen Kosten, haben zu viel Personal, zu viele Filialen, sind in puncto Digitalisierung weit zurück. Diese Strukturen werden mit Hilfe des Staates zementiert, was das System anfällig macht. Es ist immer wieder der Staat, der einspringt, indem etwa faule Kredite an die staatliche Bad Bank Amco übertragen werden. Und derzeit wird massiver Druck auf Unicredit ausgeübt. Die Bank soll die 2017 mit 5,4 Mrd. Euro “gerettete” Monte dei Paschi übernehmen, will aber nicht. Der Staat versucht die MPS nun mit vielen Milliarden aufzuhübschen. Denn die MPS braucht dringend neues Kapital, ist in teure Rechtsstreitigkeiten verwickelt, hat zu hohe Kosten und schreibt rote Zahlen. Nach ähnlichem Muster hatte Rom 2017 der Intesa Sanpaolo zwei venezianische Volksbanken zugeschustert – versehen mit einer milliardenschweren Mitgift. Die Kosten trägt immer wieder der Steuerzahler – auch dann, wenn die Privatisierung am Ende wieder mal verschoben werden sollte.Dabei ist der italienische Markt durchaus reizvoll. Die Italiener verfügen über ein hohes Privatvermögen, und es gibt viele Mittelständler, die Kredite brauchen. Doch ist nicht jeder Übernahme-Interessent willkommen: Mit einer Golden-Power-Regelung könnten selbst potenzielle Käufer aus der EU ausgebremst werden.——Von Gerhard BläskeEs kann nicht sein, dass sich Italien nur die Rosinen herauspickt, Banken aber mit Staatshilfen schützt und den Wettbewerb behindert.——