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Immobilienbewertung schreckt Investoren ab

Am deutschen Markt für Gewerbeimmobilien gibt es derzeit nur relativ wenige Transaktionen. Das macht die Preisfindung extrem schwierig. Investoren stehen damit vor einer großen Herausforderung.

Immobilienbewertung schreckt Investoren ab

Träge Immobilienbewertung schreckt Investoren ab

Das geringe Transaktionsvolumen am deutschen gewerblichen Markt erschwert die Preisfindung erheblich.

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

Das Jahresende hat’s nicht mehr rausgerissen. Das Transaktionsvolumen am deutschen gewerblichen Immobilienmarkt war 2023 mau. Die Gründe dafür sind bekannt: der scharfe Zinsanstieg ab Mitte 2022, die Inflation, die schwache weltweite Konjunktur (und die besonders schwache in Deutschland). Geopolitisch führen die Kriege in der Ukraine und in Israel bzw. Gaza zu großer Verunsicherung. Dazu kommen die großen Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft aus ESG, also insbesondere Nachhaltigkeit mit Energieeinsparung und Ressourcenschonung. Schließlich haben die einzelnen Nutzungsarten ihre spezifischen Herausforderungen: Bei Büroimmobilien sind es die unklaren Auswirkungen des Homeoffice, im Einzelhandel das Onlinegeschäft, das auch unmittelbar auf die Logistikkonzepte (Stichwort City-nahe Hubs) durchschlägt.

Diese vielen Unsicherheiten zu gewichten und zu bewerten, stellt alle Marktteilnehmer vor große Herausforderungen. Es überrascht nicht, dass in solchen Zeiten die Bewertungen von Immobilien stark differieren. Diese Schere zwischen (zu) hohen Preisvorstellungen der Eigentümer und niedrigen Geboten der Nachfrager zeigt sich an der geringen Zahl von Abschlüssen. Das Transaktionsvolumen am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt dürfte im Jahr 2023 deutlich unter dem des (im zweiten Halbjahr schon deutlich schwächeren) Jahres 2022 liegen. Endgültige Zahlen für 2023 lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor.

Cashflow beruhigt

Die Preise bilden sich also zwischen den (potenziellen) Partnern einer Transaktion. Dabei gibt es einige wenige Beschränkungen. So dürfen deutsche regulierte Immobilienfonds ihre Objekte nicht unter dem Buchwert verkaufen. Allerdings sind außer­ordentliche Wertkorrekturen (z. B. nach längeren erfolglosen Verkaufsversuchen) möglich. Aber woran liegt, es dass so wenige Objekte gehandelt werden? Die meisten Bestandshalter müssen nicht verkaufen. Ihre Objekte erwirtschaften ausreichend Cashflow, um ihre Kapitalgeber zu bedienen – seien es Eigenkapitalgeber (z. B. Fondsanleger) oder die Bereitsteller von Fremdkapital (z. B. Bedienung von Bankkrediten). Für sie gibt es damit wenige Gründe, von ihren alten Werten aus der Boomzeit abzuweichen. Auf der anderen Seite sehen sich viele potenzielle Bieter nicht unter Druck, jetzt unbedingt zu kaufen. Teilweise können sie auch gar nicht, weil viele Kapitalquellen für das Fundraising im Moment nicht sprudeln.Ein Marktpreis bzw. der Preis, zu dem die Transaktion eines bestimmten Objektes durchgeführt werden kann, ist am besten in einem liquiden Markt bestimmbar. Denn dann lassen sich genügend durchgeführte Transaktionen mit einem vergleichbaren Objekt finden, mit dem die Handelspartner ihre eigenen Kalkulationen überprüfen und gegebenenfalls anpassen können. Aktuell ist das bei den niedrigen Umsätzen meist nicht möglich, so dass auf Objekte in anderen Städten, anderer Bauqualität oder sogar anderer Nutzungsart ausgewichen werden muss, die dann mit entsprechenden Zu- oder Abschlägen passend gemacht werden müssen. Entsprechend größer wird der Interpretationsspielraum und entsprechend ungenauer wird die Preisfindung.

Kampf mit Schwierigkeiten

Auch Immobilienbewerter/Gutachter haben mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen, beobachtet Jörg Quentin, Leiter Property Analysis und Valuation bei der Deutschen Pfandbriefbank (PBB). Der Bewerter leite „aus den wenigen durchgeführten Transaktionen, teilweise sogar in anderen Marktsegmenten, und den vorliegenden Zinssätzen einen Marktwert ab, der natürlich deutlich niedriger ist als vor ein oder zwei Jahren“. Die danach durchgeführten wenigen Transaktionen würden bestätigen, dass zu diesem Marktwert dann auch tatsächlich gehandelt wird. „Allerdings ist die Ungenauigkeit sehr hoch.“

Quentin warnt jedoch davor, unter Druck zustande gekommene Verkäufe zur Marktbewertung heranzuziehen. „Dann kommt es zu Überzeichnungen.“ Beispiele wären der Londoner Markt unmittelbar nach der Lehman-Pleite 2009 oder heute (Not-)Verkäufe im Retailbereich. Allerdings wisse man nie, welcher Preis unter Druck und welcher „frei“ erzielt wurde. „Deshalb werden sich die Gutachter in den kommenden zwei bis drei Quartalen extrem schwertun, den richtigen Wert einer Immobilie bzw. eines Portfolios festzustellen.“ Quentin erwartet, „dass die Preise und die Werte noch einen Knick nach unten machen werden.“

Volatil oder glättend

Die Frage ist, wie schnell sich die Marktwerte bewegen. Der deutsche gewerbliche Immobilienmarkt tendiert zu einer eher trägen Anpassung, die Spitzen, sprich große Ausschläge nach oben und unten, glättet. Ein solcher „nachhaltiger“ Wert war früher in der Wertermittlungsverordnung vorgesehen, wurde aber schon vor vielen Jahren durch die international gültige Definition des Marktwertes abgelöst. Diese „Denke“ scheint bei einigen Gutachtern noch vorhanden zu sein. Sie korrigieren ihre Wertansätze erst dann, wenn wirklich vergleichbare Werte vorhanden sind. Solange dies nicht der Fall ist, bleibt der Marktwert unverändert. Ein solches Vorgehen scheint es bei vielen Immobilienfonds zu geben, was zur langfristigen Ausrichtung dieses Anlagevehikels passt.

Bewerter angelsächsischer Prägung nehmen auch wenige Datenpunkte als Basis für Neubewertungen, reagieren also auf Marktveränderungen schneller. Teilweise liegt das auch daran, dass sie Zugang haben zu den sehr zahlreichen gescheiterten Deals, wo potenzielle Käufer und Verkäufer zwar verhandelt, aber letztlich nicht zueinander gefunden haben. Ausländische, insbesondere angelsächsische Investoren reagieren häufig mit Unverständnis auf solche Glättungen, die aus ihrer Sicht den Markt nicht widerspiegeln. Das könnte ein zusätzlicher Grund sein, warum viele dieser Investoren dem deutschen Markt fernbleiben. Damit könnte ein Wiederanspringen des Transaktionsvolumens zumindest verzögert werden.

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