NOTIERT IN WASHINGTON

Selbst Trumps Privilegien stehen nun auf dem Spiel

Wie sehr ihm das Etikett des "Verlierers" zuwider ist, welches er sich in vielerlei Hinsicht redlich verdient hat, weiß man von US-Präsident Donald Trump zur Genüge. Da nun aber feststeht, dass er am Vormittag des 20. Januar seine letzte Stunden als...

Selbst Trumps Privilegien stehen nun auf dem Spiel

Wie sehr ihm das Etikett des “Verlierers” zuwider ist, welches er sich in vielerlei Hinsicht redlich verdient hat, weiß man von US-Präsident Donald Trump zur Genüge. Da nun aber feststeht, dass er am Vormittag des 20. Januar seine letzte Stunden als mächtigster Politiker auf dem Erdball feiern wird, stellt sich die Frage, warum Trump sich so energisch gegen den Beschluss für ein zweites Amtsenthebungsverfahren wehrt, den das Repräsentantenhaus noch im Laufe des Mittwochs fassen wollte.Ohne die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Senats entfaltet der Beschluss des Repräsentantenhauses keinerlei praktische Wirkung. Mittlerweile scheint aber fast täglich die Wahrscheinlichkeit zu wachsen, dass sich in der oberen Kongresskammer die notwendige Zweidrittelmehrheit finden könnte, um den Präsidenten wegen der Anzettelung des blutigen Aufstands im Kapitol formal zu verurteilen.Für Aufsehen sorgte zunächst die konservative Abgeordnete Liz Cheney, Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney, mit der Ankündigung, für die Amtsenthebung zu stimmen. Sie bezeichnete Trumps Rede unmittelbar vor dem Sturm aufs Kapitol als den “größten Verrat an seinem Amt und dem Eid auf die Verfassung, den ein Präsident jemals begangen hat”. Noch überraschender waren Berichte, wonach der mächtige Fraktionschef der Republikaner Mitch McConnell, bis vor kurzem ein Trump-Loyalist, “erfreut” sei über den Amtsenthebungsbeschluss.Sollte auch McConnell in diesem Sinne sein Votum abgeben, dann könnte dies eine Lawine abtrünniger Republikaner lostreten und Trumps Schicksal im Senat besiegeln, selbst wenn dort erst deutlich nach dem Amtsantritt des künftigen Präsidenten Joe Biden abgestimmt werden sollte. Schließlich neigen die Demokraten dazu, mit dem Prozess im Senat für 100 Tage nach dem Regierungswechsel zu warten. Sie wollen Biden die Chance geben, ungehindert seiner politischen Agenda nachzugehen. Ihm wird es vorrangig darum gehen, die äußerst schleppende Verteilung der Coronavirus-Impfstoffe voranzutreiben. 100 Millionen Impfungen in 100 Tagen lautet das erklärte Ziel des künftigen Präsidenten.Verurteilen im Senat mindestens 67 der 100 Mitglieder nachträglich Donald Trump, könnte dessen gesamte Familie die Folgen spüren – ganz abgesehen davon, dass jedes Mitglied des Trump-Clans ständig mit einem Präsidenten in Verbindung gebracht werden würde, dessen Ruf während der letzten Wochen im Amt weiteren schweren Schaden genommen hat. Schließlich wird Trump als jener Präsident in die Geschichte eingehen, der mit dem einzigen Ziel, den Wählerwillen zu unterdrücken und seine Amtszeit rechtswidrig zu verlängern, einen gewalttätigen, tödlichen Aufstand anzettelte, der die weltgrößte Demokratie bedenklich ins Wanken brachte.Woran die Trumps ebenso brennend interessiert sein dürften, sind die wirtschaftlichen Folgen. Eine Verurteilung, selbst wenn sie erst 100 Tage oder noch länger nach dem Regierungswechsel erfolgen sollte, würde nämlich automatisch dazu führen, dass Trump zahlreiche Privilegien gestrichen werden. Schließlich sieht der “Former Presidents Act” aus dem Jahr 1958 vor, dass ehemalige Präsidenten bis zu ihrem Lebensende in den Genuss großzügiger staatlicher Leistungen kommen.So entspricht die Rente eines früheren Regierungschefs dem Jahresgehalt eines aktiven Bundesministers, läge also bei über 200 000 Dollar. Hinzu kommen erstattete Bürokosten von jährlich 96 000 Dollar sowie ein stattliches Reisebudget von 1 Mill. Dollar per annum. Gelangt nach dem Repräsentantenhaus auch der Senat zu dem Schluss, dass Trump ein nachträgliches Impeachment verdient, dann wären diese Vergünstigungen auf einen Schlag verschwunden. Rechtlich umstritten ist noch, ob auch der Personenschutz durch den Secret Service, der einen früheren Präsidenten und seine Familie lebenslang begleitet, vom Tisch wäre.Vieles müssten die Trumps, die sich während der Zeit im Weißen Haus für Flüge zu Golfplätzen, Urlaubsreisen und selbst Geschäftsreisen, auf denen sie für familieneigene Immobilienprojekte warben, großzügig der Staatskasse bedienten, im Falle einer Amtsenthebung künftig also selbst zahlen.