KOMMENTAR

Zum Wumms fehlt noch was

Wumms! In diesem Fall hat kein Konjunkturpaket eingeschlagen, sondern die Auftragseingänge der deutschen Industrie sind sprunghaft gestiegen und haben die Expertenerwartungen weit übertroffen. Bevor deswegen Euphorie ausbricht und ein nachhaltiger,...

Zum Wumms fehlt noch was

Wumms! In diesem Fall hat kein Konjunkturpaket eingeschlagen, sondern die Auftragseingänge der deutschen Industrie sind sprunghaft gestiegen und haben die Expertenerwartungen weit übertroffen. Bevor deswegen Euphorie ausbricht und ein nachhaltiger, kräftiger Wirtschaftsaufschwung als gesetzt gilt: Es muss noch einiges geschehen, damit der Wumms nicht wie Donnerhall einfach verklingt.Für eine so stark exportorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland ist der Rückstand der Auslands- zu den Inlandsaufträgen besorgniserregend. Dass die Corona-Pandemie die Wirtschaft wichtiger Partnerländer sowie den Welthandel spürbar dämpft, kann nur ohnmächtig hingenommen werden, denn schon hierzulande bleibt nur das Hoffen auf die Vernunft – Stichwort Partyjugend und Urlaubsrückkehrer. Um nur zwei Beispiele zu nennen: In Spanien, gemessen am Außenhandelssaldo 2019 auf Rang 5 der Partnerländer Deutschlands, haben die Infektionen derart zugenommen, dass eine Reisewarnung für Aragón, Katalonien und Navarra ausgesprochen wurde. Manche Aufträge lassen sich aber nur vor Ort einsammeln. Und in den USA, Handelspartner Nummer 1, scheint das Infektionsgeschehen gänzlich außer Kontrolle.Einfacher wird die Lage für die hiesige Industrie durch (pandemiebedingt) eingeführte Handelshemmnisse auch nicht, ganz zu schweigen von den Handelskonflikten, die US-Präsident Donald Trump zu Beginn seiner Amtszeit losgetreten hat. Aber egal, welchen Ursprungs der Protektionismus ist: Der vermeintliche Schutz heimischer Produktion bedroht generell Kundenbeziehungen, Wettbewerb, Vielfalt, das Funktionieren internationaler Lieferketten und damit die Produktion. Unternehmen in offenen Volkswirtschaften wie Deutschland sind regelmäßig die Leidtragenden. Für weitere Unsicherheit sorgt der drohende harte Brexit zum Jahresende, der angesichts stockender Verhandlungen fast schon unausweichlich scheint.Bleiben noch die hausgemachten Probleme. Zwar verleiht die temporäre Mehrwertsteuersenkung der Pkw-Nachfrage Schwung, und die für Deutschland so eminent wichtige Automobilbranche kann sich im Juni über ein Auftragsplus von 66,5 % und um 53,5 % gestiegene Umsätze freuen. Den Strukturwandel vom Verbrenner hin zu alternativen Antriebsformen gilt es aber noch zu meistern. Die Infrastruktur könnte ebenfalls einen gewaltigen Schub vertragen: Insbesondere die Rückstände bei der Digitalisierung machen der Wirtschaft zu schaffen.Und auch hierzulande ist die Pandemie alles andere als unter Kontrolle. Erstmals seit Mai liegt die Zahl der Neuinfektionen wieder über 1 000. Reihenweise warnen Verbände – gestern der Handelsverband HDE sowie der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga – vor den Folgen einer zweiten Infektionswelle. Die sieht der Weltärzteverband nicht nur anrollen, sondern längst angekommen.Vielen der Risikofaktoren kann beigekommen werden. Wenn dann auch noch die Pandemie eingedämmt ist, wird der Wumms nicht einfach nur verklingen, sondern sich harmonisch in kräftiges Wachstum verwandeln.