Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeitsbanken wollen raus aus der Nische

Der Markt der ESG-Finanzinstitute ist in Deutschland im internationalen Vergleich umkämpft. Doch noch ist das Gewicht klein. Das soll sich auch durch mehr Lobbyarbeit ändern.

Nachhaltigkeitsbanken wollen raus aus der Nische

Grüne Banken wollen raus aus der Nische

Der Markt der ESG-Finanzinstitute in Deutschland ist umkämpft.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Deutschland ist grün. Kaum ein Finanzmarkt hat ein solch breites ESG-Leben mit solcher Fülle von Initiativen, Veranstaltungen und Preisen. Zeitgleich liefen Mitte November der Sustainable-Finance-Gipfel und die Fair Finance Week. Wenige Tage später wurde der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verliehen, mit die größte Auszeichnung ihrer Art in Europa.

Die Zahl der Initiativen ist lang: Forum Nachhaltige Geldanlage, Arbeitskreis Kirchlicher Investoren, Bundesinitiative Impact Investing, Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzen – die grüne Geldszene ist breit diversifiziert.

Zahlreiche ESG-Finanzanbieter

Seit Jahren mischen grüne und nachhaltige Banken in Deutschland mit. Seit Jahrzehnten sogar, die GLS Bank feiert 2024 ihr 50-jähriges Jubiläum. Einige der ebenfalls wertorientierten Kirchenbanken sind sogar noch deutlich länger am Markt. Mit rund 15 Nachhaltigkeitsbanken gilt diese Marktnische als wettbewerbsintensiv.

Aus Sicht der Akteure allerdings ist der Bedarf an Nachhaltigkeitsbanken angesichts der ESG-Herausforderungen größer denn je. Auffällig am deutschen Markt der grünen Banken ist auch, dass viele als Genossenschaftsbanken organisiert sind. Die Idee der Nachhaltigkeitsbanken kommt den Genossenschaftsbanken am nächsten.

Doch wenn Europa sich transformieren und klimaneutral werden soll, dann reichen die Nachhaltigkeitsbanken eben nicht aus, den Kapitalbedarf zu stemmen. Konventionelle Banken müssen mitmachen, auch wenn es nicht einfach ist, ein ESG-Modell über eine normale Bank zu stülpen. „Es ist einfacher, als Bank nachhaltig zu sein, wenn man von Anfang an nachhaltig gewesen ist“, so die Einschätzung der Umweltbank.

Nützlicher ESG-Hype

Der Boom von Sustainable Finance in den vergangenen Jahren hat zu einem ESG-Hype geführt. Das wird von den Nachhaltigkeitsbanken aber eher positiv gesehen. Es sei gut, dass das Thema ESG an Bedeutung gewinnt, da man auf diese Weise mehr Leute erreiche. „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass der Stellenwert von Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft immer weiter steigt. Im Sinne der Erreichung der gesteckten Nachhaltigkeitsziele ist dieser 'Rückenwind' für die Transformation auch notwendig“, heißt es von der Evangelischen Bank (EB).

Und auch die GLS Bank bewertet es positiv, dass Nachhaltigkeit sichtbarer werde. „Je mehr wir uns mit Kennzahlen, nachhaltiger Wirkung und ihrer Notwendigkeit für unser Überleben beschäftigen, desto eher schaffen wir gemeinsam die Transformation“, so eine Sprecherin der Bank. Oder anders gesagt: „Wer nur einen fundierten Artikel über die Klimakrise und ihre Folgen liest, wundert sich doch, wieso nicht alle auf der Straße demonstrieren. Nachhaltigkeit ist also kein Hype, sondern eine längst überfällige Notwendigkeit.“

Kritisch sehen Umweltbanken das Treiben der konventionellen Konkurrenz, die das Massengeschäft übernehmen. Es gebe viele Banken, die nur ein grünes Produkt haben – doch der Trend ist positiv. Nachhaltigkeitsbanken sagen aber, sie hätten ein Gesamtkonzept, heißt es beispielsweise von der Nürnberger Umweltbank. Im traditionellen Kreditwesen sei manchmal die Wirkung nach außen stärker als das, was dahinterstehe. „Es kann nicht sein, dass die, die am lautesten Nachhaltigkeit schreien, das braunste Kreditportfolio haben“, so die Einschätzung eines Sprechers der Umweltbank.

Bioladen statt Greenwashing

Bei Triodos zieht man den Vergleich zwischen Nachhaltigkeitsbanken, die wie Bioläden authentisch seien, und traditionellen Häusern, die sich wie Aldi Bioprodukte ins Regal legen – und laut nach außen kommunizieren, man sei der größte Bioanbieter. Das dürfte von den Umsatzzahlen stimmen und zeigt, dass die grünen Spezialanbieter eine Masse kaum bringen können.  

"Handabdruck maximieren"

Die Evangelische Bank aus Kassel erklärt dennoch, eine fortschreitende Transformation entziehe den nichtnachhaltigen Geschäftsmodellen zunehmend die Grundlage. „Bei allem, was wir tun, wollen wir nicht nur unseren ökologischen Fußabdruck minimieren, sondern auch unseren Handabdruck maximieren", sagt wiederum Inas Nureldin von der Digitalbank Tomorrow, die sich ebenfalls als nachhaltig beschreibt. "Unser Handabdruck steht für den positiven Beitrag für die Umwelt und die Gesellschaft, den wir – über unseren Fußabdruck hinaus – erzeugen.“

Theorie vs. Kreditvergabepraxis

Nicht nur die Nachhaltigkeitsbanken sehen das konventionelle Bankgeschäft kritisch. In einem Blogbeitrag berichtet die Europäische Zentralbank (EZB) über Forschungsergebnisse, die bestätigen, dass es Diskrepanzen zwischen den Umweltangaben der Banken und ihrer Kreditvergabepraxis gebe. Die Institute zögerten, bestehende Kreditbeziehungen mit einem größeren CO2-Fußabdruck abzubrechen.

Aus dem jährlich vom gemeinnützigen Verein Facing Finance aus Berlin erstellten "Fair Finance Guide" lässt sich die Kluft zwischen grünen und konventionellen Banken ablesen. Die Bewertungen ergeben sich dabei ausschließlich aus den in öffentlichen Dokumenten dargestellten Richtlinien der Banken. Ein Ergebnis von 100% bedeutet, dass alle aktuellen Bewertungskriterien des Fair Finance Guide erfüllt werden.

Den besten Wert erreicht mit 94% die GLS Bank, gefolgt von der KD-Bank mit 90% und der Triodos Bank mit 88%. Unter den konventionellen Banken kommt die ING Diba auf 58%. Die Commerzbank schafft es auf 43%, die Deutsche Bank auf 39 % und die DekaBank auf 36%.

Nischenthema Nachhaltigkeit

Aus Sicht von Tomorrow-Chef Nureldin setzen noch zu wenige Banken auf die konsequente Nachhaltigkeit. Die meisten Banken würden nach wie vor in Industrien investieren, die von Rüstung, Massentierhaltung oder Kohle profitieren. „Es gibt ein paar Banken, die sich der konsequenten Nachhaltigkeit verpflichtet haben und nach ESG-Standards handeln – trotzdem ist nachhaltiges Banking immer noch Nischenthema.“

Deutschland vermag zwar im internationalen Vergleich über einen echten ESG-Bankenmarkt verfügen, doch verglichen mit der heimischen Konkurrenz sind die Nachhaltigkeitsbanken klein. Die Bilanzsumme einer Nachhaltigkeitsbank liegt zwischen 5 und 10 Mrd. Euro. Die GLS Bank etwa liegt bei 9,7 Mrd. Euro. Nur die international aufgestellte Triodos Bank ragt mit knapp 16 Mrd. Euro heraus. Etliche Nachhaltigkeitsbanken sind noch deutlich kleiner. Die Bank für Orden und Mission, die EthikBank und die Steyler Ethik Bank liegen bei 1 Mrd. Euro oder deutlich darunter. In der Summe schaffen es die deutschen Nachhaltigkeitsbanken nicht einmal auf eine aggregierte Bilanzsumme von 100 Mrd. Euro. Damit können die grünen Anbieter eher wenig bewegen.

Mehr Einfluss in Brüssel

„Neben den aktuell schon sichtbaren positiven Einflüssen der steigenden Nachfrage von Kunden, Mitarbeitenden und Investoren nach nachhaltigen Anbietern brauchen wir politische Rahmenbedingungen“, so der Tomorrow-Gründer. Nur so könne man nachhaltiges Banking aus der Nische holen. Um sich in Brüssel besser Gehör zu verschaffen, haben die Nachhaltigkeitsbanken im November die Sustainable Banking Coalition gegründet. Die beteiligten Finanzdienstleister wollen Standards setzen und die Wirkung ihrer Arbeit aufzeigen. In der Hoffnung, auf längere Sicht durch einen Regulierungsrahmen für ESG-Finanzinstitute der Nische ein Stück weit zu entkommen.

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