STABILITÄTSPAKT

Das war's

Während der staubtrockenen Vorstellung der länderspezifischen Empfehlungen und der Defizitentscheidungen der EU-Kommission gab es immerhin auch einen Moment zum Schmunzeln. Als EU-Kommissar Pierre Moscovici mit bierernster Miene versicherte, die...

Das war's

Während der staubtrockenen Vorstellung der länderspezifischen Empfehlungen und der Defizitentscheidungen der EU-Kommission gab es immerhin auch einen Moment zum Schmunzeln. Als EU-Kommissar Pierre Moscovici mit bierernster Miene versicherte, die EU-Kommission habe “den absoluten Willen, die Mitgliedstaaten dazu zu bringen, die Haushaltsregeln zu respektieren”, brach für einen kurzen Moment Heiterkeit im Pressesaal aus.Hand aufs Herz, wer trotz aller großzügigen Auslegungen der Vergangenheit und trotz aller Flexibilitätsklauseln noch an solche Beteuerungen der EU-Behörde geglaubt hat, der wurde gestern endgültig eines Besseren belehrt. Denn gestern wäre der Zeitpunkt gewesen, unter Beweis zu stellen, dass die EU-Behörde den Auftrag zur haushaltspolitischen Überwachung doch noch ernst nimmt.Die EU-Kommission hat darauf verzichtet. Sie hat sich gescheut, für Spanien und Portugal trotz eindeutiger Datenlage die Verhängung von Strafen vorzuschlagen. Sie hat sich nicht einmal durchringen können, die mildeste Variante – nämlich symbolische Sanktionen – zu empfehlen. Stattdessen hat sie die Entscheidung auf Anfang Juli verschoben – auf die Zeit nach der Wahl in Spanien. Bis dahin wird sich an der Lage nichts geändert haben, da eine zügige Regierungsbildung unwahrscheinlich ist. Und ohnehin: Der Grund dafür, dass nun eigentlich Sanktionen an der Reihe wären, liegt sowieso in der Vergangenheit.Kurzum: Das war’s. Schon lange spricht vieles dafür, dass es nicht Unvermögen und erst recht keine widrigen weltwirtschaftlichen Umstände sind, die einige Euro-Staaten dauerhaft davon abhalten, den Pakt zu erfüllen – sondern schlicht der Mangel an politischem Willen. Und dass es zugleich an der Bereitschaft Brüssels fehlt, Abweichungen zu ahnden.Vor diesem Hintergrund wird die Debatte über eine radikale Reform des Regelwerks dringlicher. Es gibt bekanntermaßen Vorschläge, die Kompetenzen des Währungskommissars nach dem Vorbild des Wettbewerbskommissars auszuweiten, um die Einmischung der anderen EU-Kommissare aus nationalen Interessen zu begrenzen. Oder gleich die Haushaltskontrolle der Obhut der EU-Kommission zu entziehen. Oder durch neue finanzielle Kapazitäten in Euroland ein Anreizsystem für Reformen zu schaffen, die Haushalte langfristig entlasten. Über alles das muss nun noch intensiver beratschlagt werden. Denn die aktuelle praktische Umsetzung des Stabilitätspakts gerät mehr und mehr zur Posse.