GastbeitragSouveränität in Finanzfragen

Finanzielle Bildung als Kernkompetenz für mehr soziale Nachhaltigkeit

Finanzbildung stärkt die individuelle Resilienz und fördert eine nachhaltigere Gesellschaft. Sie ist auch ein Schlüsselfaktor für eine stabile Demokratie, schreibt Karolin Schriever.

Finanzielle Bildung als Kernkompetenz für mehr soziale Nachhaltigkeit

Gastbeitrag: Karolin Schriever

Finanzielle Bildung als Kernkompetenz für mehr soziale Nachhaltigkeit

Finanzbildung wird zu einem zentralen Thema der kommenden Dekade. Sie stärkt die individuelle Resilienz gegenüber wirtschaftlichen Unsicherheiten, ermöglicht soziale Teilhabe und trägt somit zu einer nachhaltigeren Gesellschaft bei. Ob Menschen vom Wissen auch ins Handeln kommen, darüber entscheiden die individuellen „teachable moments“ im Leben – es gilt, sie bei Bildungsinitiativen klug zu nutzen.

Lebensentscheidungen sind immer auch Finanzentscheidungen. Ob Jobeintritt, Jobwechsel, Renteneintritt, Hauskauf oder Familiengründung – alle großen Umbrüche im Leben sind stets eng mit Geld verknüpft. Diese vorausschauend zu planen und aktiv zu steuern, ist entscheidend für eine gute finanzielle Zukunft.

Pfeiler der Gesellschaft

Die Souveränität in Finanzfragen ist neben dem individuellen Aspekt aber auch ein stabilisierender Pfeiler unseres Gesellschaftssystems und ein Schlüsselfaktor für eine intakte, zukunftsfähige und prosperierende Gesellschaft, für eine stabile Demokratie. Sie führt zu einem gesteigerten Bewusstsein für bestehende Ungleichheiten in der Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf Geschlechterunterschiede und sozioökonomische Disparitäten. Dadurch können diese Ungleichheiten angegangen werden und soziale Gerechtigkeit kann gefördert werden.

Für gesamtgesellschaftliche Umbrüche und den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft kommt der Finanzbildung ebenfalls eine wichtige Rolle zu: Die auf EU-Ebene vorangetriebene Kapitalmarktunion, die den Bürgerinnen und Bürgern unter anderem mehr grenzüberschreitende Investitionsmöglichkeiten bieten soll, schließt eine Stärkung der Finanzbildung durch die Mitgliedstaaten mit ein. Seitens der Bundesregierung wird seit 2022 eine eigene nationale Strategie dazu erarbeitet.

Wie wird aus Wissen Handeln?

Die Transformation von Bildung in individuell verändertes Verhalten ist ein stetiger Prozess, der ein Leben lang andauert. Interaktive und praxisorientierte Lernmethoden tragen eher dazu bei, dass Menschen nicht nur theoretisches Wissen erlangen, sondern es auch in ihrem täglichen Leben anwenden können.

Learning by doing

Ein Beispiel für einen interaktiven und praxisorientierten Ansatz in der Finanzbildung ist Europas größtes Börsenspiel – das Planspiel Börse der Sparkassen-Finanzgruppe. Hierbei können Schülerinnen und Schüler, Azubis und Studierende rund vier Monate lang fiktives Kapital an der Börse investieren. Sie setzen sich in dieser Zeit mit den Kapitalmärkten auseinander – eine wichtige Kompetenz, um eigenständige Entscheidungen zu Kapitalanlagen treffen zu können. Das Prinzip „Learning by doing“ sorgt dafür, dass Börsenwissen und das Verständnis über wirtschaftliche Zusammenhänge auch langfristig hängenbleiben und die Teilnehmenden für ihre eigene Finanzplanung profitieren.

Intrinsische Motivation und das Gefühl der Selbstwirksamkeit sind überdies wichtige Voraussetzungen für Verhaltensänderungen. Als „teachable moments“ werden in der Bildungsforschung Situationen bezeichnet, in denen Menschen besonders aufnahmefähig sind und schneller lernen. Typischerweise sind das Herausforderungen oder Krisen, die spontan im Leben auftreten – etwa die eigene berufliche Selbständigkeit oder ein bevorstehender Hauskauf. Ergänzend zur Finanzbildung sind dann umfassende Angebote zur finanziellen Befähigung – also Beratung und Hilfestellungen für die konkrete Nutzung von Finanzprodukten – notwendig.

Anfälliges Urteilsvermögen

Doch selbst wenn Menschen über das Wissen verfügen, finanziell planvoll oder vernünftig zu handeln, können sie sich konträr dazu verhalten. Studien der Verhaltensökonomie zeigen, dass Menschen anfällig für kognitive Verzerrungen sind, die ihr Urteilsvermögen beeinflussen: Sie suchen zum Beispiel häufig nach Informationen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen, und treffen in der Folge ihre Entscheidung einseitig. Umso wichtiger ist es, Informationsquellen kritisch zu prüfen und seriöse Quellen herauszufiltern.

Frühe Geldsozialisation prägt

Die Rolle der Familie in der Geldsozialisation wird oft unterschätzt, dabei kommt der familiären Werteausrichtung ein großes Gewicht zu, um Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit in die Entscheidungsgrundlage mit aufzunehmen. Offene Kommunikation über finanzielle Angelegenheiten innerhalb der Familie und die Vermittlung von finanziellen Werten und Fähigkeiten von Kindesbeinen an legen den Grundstein für eine nachhaltige Finanzkultur in der Gesellschaft.

Muster aus Kindheit

Bereits in der Kindheit erworbene und lange gelebte Routinen beim Umgang mit Geld lassen sich später nur schwer durchbrechen, selbst wenn sie als nicht mehr passend erkannt wurden. Frauen beispielsweise schneiden in Wissenstests zu Finanzen regelmäßig gut ab, trauen sich beim Thema Kapitalanlage aber weniger zu als Männer. Bildungsanbieter sollten insofern die individuellen „teachable moments“ berücksichtigen, um möglichst breite Bevölkerungsgruppen zu erreichen.

Finanzbildung für Erwachsene

Der Lernprozess zu Geld und Finanzen darf nicht nur auf die Kindheit und Schulzeit beschränkt sein, sondern muss auch für Erwachsene zugänglich bleiben. Menschen jedes Alters brauchen den Zugang zu Bildungsangeboten und entsprechenden Anwendungen. Neu aufkommende Themen wie Kryptowährungen, der digitale Euro oder Robo-Advisors sind erklärungsbedürftig und sollten zielgruppengerecht aufbereitet und entsprechend dem jeweiligen Bedarf in Bildungsangebote integriert werden. Durch kontinuierliche Unterstützung und Beratung können alle Mitglieder der Gesellschaft befähigt werden, ihre finanzielle Zukunft eigenständig zu gestalten und damit die soziale Nachhaltigkeit zu stärken.

Die Sparkassen-Finanzgruppe hat bereits früh erkannt, wie wichtig finanzielle Bildung ist, und bietet sowohl Unterrichtsmaterialien durch den Sparkassen-SchulService als auch im Sinne des „lifelong learning“, kostenfreie Unterstützung für private Haushalte durch den Beratungsdienst Geld und Haushalt, an.

Indem finanzielle Bildung als eine zentrale Säule der sozialen Nachhaltigkeit betrachtet wird und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, können positive Veränderungen auf individueller, gesellschaftlicher und globaler Ebene erreicht werden.

Karolin Schriever

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands