IM GESPRÄCH ZUR SERIE GELDWÄSCHE (9): JOHANNA LYBECK LILJA

Wenn die Vorgaben kollidieren

Bei der Geldwäschebekämpfung geraten Banken oftmals in Konflikt mit anderen EU-Vorschriften

Wenn die Vorgaben kollidieren

Im Kampf gegen Finanzkriminalität tun sich europäische Banken schwer damit, gleichzeitig Anti-Geldwäsche-Anforderungen und damit konfligierende andere EU-Vorgaben zu erfüllen. Das schaffe tagtäglich Probleme, sagt Johanna Lybeck Lilja, einst Staatssekretärin und heute Beraterin des Finanzkonzerns Nordea. Von Detlef Fechtner, FrankfurtBei der Bekämpfung von Finanzkriminalität komme Banken eine “sehr wichtige Aufgabe” zu, ist Johanna Lybeck Lilja, frühere schwedische Finanzmarkt-Staatssekretärin und nun Executive Advisor der Großbank Nordea, überzeugt. Allerdings stelle diese Aufgabe die Kreditinstitute vor schwierige Herausforderungen, sagt Lybeck Lilja im Gespräch mit der Börsen-Zeitung – unter anderem, weil Banken ja gleichzeitig viele andere regulatorische Anforderungen zu erfüllen haben.Gerade was die Konflikte von Anti-Geldwäschemaßnahmen und anderen EU-Vorgaben angeht, wünscht sich die Nordea-Bankerin mehr regulatorische Guidance: “Es ist für eine Bank in der täglichen Arbeit schwierig, die Grenze zwischen Anti-Geldwäsche und anderen Vorschriften, die wir einhalten müssen, zu ziehen.”Die Geldwäscheexpertin zählt zur Veranschaulichung eine ganze Reihe von Beispielen auf. So hätten wiederholt Behörden im Zuge der Geldwäschebekämpfung historische Aufzeichnungen von Banken angefordert, die diese aber längst löschen mussten, um den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung der EU zu entsprechen.Vergleichbare Probleme stellten sich auch im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie für Basiskonten. Aus durchaus guten Gründen – nämlich der finanziellen Inklusion – gesteht diese allen EU-Bürgern das Recht zu, ein Konto zu eröffnen. Im Zuge der Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung würden die Banken zugleich angehalten, das Risiko von Finanzkriminalität bei ihren Kunden zu managen. “Wenn wir die Risiken nicht managen können, sind wir per Gesetz verpflichtet, die Kundenbeziehung zu beenden”, erinnert Lybeck Lilja. Dann stelle sich aber die Frage, wo die Bank die Grenze ziehen solle zwischen dem Recht auf ein Basiskonto und der Pflicht, eine Kundenbeziehung zu beenden. “Was wir gerne sehen würden, ist eine klarere Anleitung”, erklärt die Bankerin, die auch der Stakeholder Group der EU-Bankaufsichtsbehörde EBA angehört, und ergänzt: “Das ist ein tagtägliches Problem, mit dem wir zu kämpfen haben.” Problemfeld PSD2Konflikte in der Alltagspraxis gibt es auch zwischen Anti-Geldwäsche-Regeln und der Zahlungsdienste-Richtlinie (PSD2). “Wenn wir nicht feststellen können, wer der wirtschaftlich Berechtigte eines bestimmten Anbieters von Zahlungsdiensten ist, oder wenn wir feststellen, dass die Know-your-Customer-Prozesse dieses Providers unzureichend sind, geraten wir in Schwierigkeiten.” Schließlich habe der Anbieter ein Recht auf Dienstleistungen.Und letztlich kollidierten manchmal auch die Geldwäschevorgaben mit Anforderungen der Wettbewerbsbehörden. “Wenn wir uns entschieden haben, die Kundenbeziehung zu beenden, dann haben uns in einigen Fällen die Wettbewerbsbehörden dies untersagt.” Vor diesem Hintergrund wünscht sich Lybeck Lilja eine bessere Zusammenarbeit zwischen Finanzaufsichtsbehörden und Wettbewerbsbehörden.Die ehemalige Finanzmarkt-Staatssekretärin stellt klar, dass es nicht darum gehe, die Vorgaben aufzuweichen: “Wir als Banken halten nicht Ausschau nach gelockerten Anforderungen.” Allerdings sei es eine Illusion, zu erwarten, dass strenge Vorgaben an die Banken allein geeignet seien, das Problem der Finanzkriminalität aus der Welt zu schaffen. Denn dabei handele es sich um ein gesellschaftliches Problem, an dessen Lösung die Banken lediglich mitwirken könnten. “Und wir scheuen uns nicht zurück, diese Verantwortung zu übernehmen”, unterstreicht Lybeck Lilja. Nordea überwache jedes Jahr mehr als 2,5 Milliarden Transaktionen, berichtet sie. In den vergangenen vier Jahren habe der Finanzkonzern 850 Mill. Euro investiert, um Finanzkriminalität besser bekämpfen zu können – durch neue Technologien, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. Informationsaustausch nötigAls wichtiges Werkzeug bezeichnet Lybeck Lilja die Netzwerkanalyse. “Wir können eine Einzelperson oder ein Unternehmen in den Mittelpunkt stellen und eine Bewertung des Netzwerks vornehmen.” Für eine “wirklich effiziente Netzwerkanalyse” sollten Banken alle Informationen über Transaktionen in verschiedenen Banken zusammenführen können – unter Federführung der nationalen Financial Intelligence Unit, also der Behörde, die Geldwäsche-Verdachtsmeldungen aufnimmt und filtert. “Was wir brauchen und was wir heute nicht haben, ist die legale Möglichkeit, Informationen in dem Maße zu teilen, wie wir sie brauchen”, fordert die Bankerin.Angesprochen auf die politischen Rahmenbedingungen begrüßt Lybeck Lilja “eindeutig” den Aktionsplan der EU-Kommission, die Entschließung des Europäischen Parlaments und die Schlussfolgerungen des Rats: “Wir denken, sie gehen in die richtige Richtung. Aber es gibt noch mehr, was wir brauchen, insbesondere den Informationsaustausch zwischen den Financial Intelligence Units in den verschiedenen europäischen Ländern.”Ohnehin plädiert Lybeck Lilja für europäische Lösungen. “Für uns als grenzüberschreitend tätige Bank wäre es sehr wichtig, dass die Praktiken innerhalb der Europäischen Union harmonisiert würden und unterschiedliche Standards, die in den einzelnen Rechtsordnungen umgesetzt und interpretiert werden, vermieden werden.” Zuletzt erschienen: “Man erwischt halt nicht das Dunkelfeld” (12. Januar) Geldwäsche schreckt Europa auf (9. Januar)