SNB

Allein auf weiter Flur

Es habe "Mut" gebraucht, die Euro-Wechselkursuntergrenze aufzuheben, räumte Thomas Jordan, Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), gestern in ungewohnter und vermutlich auch unbeabsichtigter Offenheit ein. Das Bekenntnis des obersten...

Allein auf weiter Flur

Es habe “Mut” gebraucht, die Euro-Wechselkursuntergrenze aufzuheben, räumte Thomas Jordan, Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), gestern in ungewohnter und vermutlich auch unbeabsichtigter Offenheit ein. Das Bekenntnis des obersten Frankenhüters lässt tief blicken. Seit dem 15. Januar weht der SNB ein noch viel steiferer Wind ins Gesicht als im Herbst, als sich die Notenbanker genötigt sahen, selbst in den politischen Ring zu steigen, um die Goldinitiative abzuwehren. Inzwischen wird immer deutlicher, dass der Entscheid vom 15. Januar eine Wahl zwischen Pest und Cholera war.Die Kritik am restriktiven Kurs der SNB ist in den vergangenen drei Monaten so stark geworden, dass sich Jordan gestern sogar die Frage gefallen lassen musste, ob bereits erste Rücktrittsforderungen an ihn herangetragen worden seien. Jordan verneinte selbstverständlich und meinte: “Die Unabhängigkeit der Nationalbank ist sehr stark verankert in der Öffentlichkeit, und ich sehe keine Gefahr, dass sich daran etwas ändern wird.” Dennoch diskutiert das Parlament inzwischen über die Frage, ob die Zusammensetzung des SNB-Direktoriums noch zeitgemäß ist und ob deren Vertreter künftig nicht vom Parlament gewählt werden sollten.Längst sind es nicht mehr nur die Vertreter der Exportwirtschaft und der Gewerkschaften, die über die schwierige Situation mit dem teuren Franken klagen. Auch in der Finanzwirtschaft und im Vorsorgewesen wachsen die Bedenken wegen der beispiellosen Negativzinspolitik. Auch viele prominente Vertreter der Wissenschaft lassen kein gutes Haar mehr an Jordan & Co. Vor allem im angelsächsischen Raum erschallt Kritik an der Schweizer Notenbank, die der allerdings deutlich kleiner gewordenen Gegnerschaft von expansiver Geldpolitik weiter Argumente liefert, um das von der Europäischen Zentralbank (EZB) gestartete Programm zur enormen Bilanzausweitung zu geißeln.Man wird den Eindruck nicht los, dass sich die SNB weniger aus Überzeugung als vielmehr aus Unvermögen und Angst in diese schwierige Situation begeben hat. Während EZB-Präsident Mario Draghi die Erwartungen der Märkte mit scheinbarer Leichtigkeit durch kommunikative Mittel zu steuern versteht, macht Jordan als Kommunikator alles andere als eine behände Figur. Die Finanzkrise hat aus den einst notorisch dünnlippigen Notenbankern beredte und politisch wendige Geldpolitiker gemacht. Derweil macht die SNB noch auf “alte Schule” – und ist damit allein auf weiter Flur.