Notiert inKopenhagen

Nachhaltig beeindruckend

In Kopenhagen brennt die Börse nieder und seine Bewohner trauern um ihr Wahrzeichen. Kaum eine Stadt verbindet Tradition so geschickt mit Moderne. Vor allem in Sachen Infrastruktur können sich deutsche Städte ein Beispiel nehmen.

Nachhaltig beeindruckend

Notiert in Kopenhagen

Nachhaltig beeindruckend

Von Philipp Habdank

Als vor wenigen Wochen in Kopenhagen die Börse niederbrannte, hat die Stadt nicht nur eines ihrer bekanntesten Wahrzeichen verloren – es wurde auch ein Stück Geschichte ausradiert. Mit über 400 Jahren zählte das Gebäude mit dem charakteristischen Turmhelm in Form von vier ineinander verschlungenen Drachen zu einem der ältesten Gebäude der Hafenstadt.

Der Brand der Börse war für die stolzen und traditionsbewussten Kopenhagener genauso schockierend wie der Brand von Notre-Dame für die Pariser. Das ist auch zwei Wochen nach dem Unglück in der Stadt noch zu spüren, wenn man vor den Ruinen steht, deren Überreste gerade abgetragen werden. Zuvor waren die Kopenhagener ohne zu zögern in das brennende Gebäude gerannt, um die dort ausgestellten Kunstgegenstände zu retten. 99% ihrer Kunstwerke konnten sie vor den Flammen bewahren.

In Kopenhagen trifft Tradition auf Moderne

Sie lieben ihre Stadt. Noch haben sich die Kopenhagener nicht entschieden, wie es mit den Aufräumarbeiten weitergehen wird. Bauen sie die alte Börse wieder auf – oder entsteht dort etwas ganz Neues? Am Ende ist das egal, denn es wird sowieso gut werden. Kaum eine andere Stadt verbindet Tradition und Moderne so symbiotisch wie Kopenhagen. Überbleibsel der alten Monarchie treffen hier auf modernste Architektur und Infrastruktur.

Wer mit dem Flieger von Frankfurt für ein Wochenende nach Kopenhagen reist, der realisiert erst, was in Deutschland in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren auf der Investitionsseite alles verpennt wurde. Verglichen mit der (digitalen) Infrastruktur von Kopenhagen wirkt Frankfurt wie eine Dritte-Welt-Stadt. Ein Beispiel: Während Frankfurt gerade erst auf die gute Idee gekommen ist, in der Innenstadt ein paar Fahrradspuren auf die Hauptstraßen zu pinseln, damit Radler eine fairere Chance haben, sich gegen die aggressiv hupenden Autofahrer durchzusetzen, brettern Fahrradfahrer in Kopenhagen längst über breit ausgebaute Fahrrad-Highways. Im Zentrum von Kopenhagen bewegt sich jeder Zweite mit dem Fahrrad.

Kopenhagen setzt Anreize statt Verbote

Und der Rest geht zu Fuß oder nimmt die Bahn. Autos gibt es in der Innenstadt so gut wie keine. Nicht, weil sie überall verboten sind. Einfach, weil es bessere Alternativen gibt. Kopenhagener können ihr Auto stehen lassen, denn ihre Bahnen fahren. Im Minutentakt. Und das sogar verlässlich. Die Metro vom Zentrum zur Endhaltestelle Vanløse verkehrt im Zwei- bis Drei-Minuten-Takt.

Die S4 von Frankfurt zur Endhaltestelle Kronberg fährt halbstündig – so Gott will und es nicht zu warm, zu kalt oder zu windig ist, kein anderer Zug vorausfährt, keine Personen auf den Gleisen sind und auch nur, wenn die Oberleitungen funktionieren, es keine Signal- oder Weichenstörung gibt und die Lokführer nicht streiken. Die Metro in Kopenhagen fährt längst fahrerlos. Aber hey: Deutschland hat dafür im großen Stil E-Autos subventioniert, ohne vorher in die nötige Ladeinfrastruktur zu investieren. Nimm das, du nachhaltiges Kopenhagen!

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