DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: CHRISTIAN BAIER

Metro lockt mit stabiler Dividende

Finanzchef des Handelskonzerns rätselt über Ziele, die EP Global Commerce verfolgt - Marktanteilsgewinne

Metro lockt mit stabiler Dividende

Herr Baier, die neue Übernahmeofferte von EP Global Commerce (EPGC) haben Vorstand und Aufsichtsrat der Metro als zu niedrig abgelehnt. Können Sie zusammenfassen, was Sie stört?Der Angebotspreis liegt exakt auf Höhe des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestpreises. Der Bieter hat selbst gesagt, nicht davon auszugehen, eine hohe Annahmequote zu erreichen. Als Großhändler, das gilt auch für unsere Wettbewerber, ist unser Aktienkurs durch die Covid-19-Pandemie ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen. Damit erklärt sich zu einem großen Teil unsere Haltung, denn es handelt sich um ein opportunistisches Angebot, das in keinem Fall den intrinsischen Wert des Unternehmens spiegelt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir unsere Transformationsbemühungen mit dem Verkauf von Real und der Transaktion in China massiv vorangebracht haben. Wir sind jetzt ein absolut fokussierter Großhändler, ein Markt, der ohne Pandemie attraktive Wachstumsraten aufweist. Vor gut einem Jahr hatte EPGC noch 16 Euro je Aktie geboten, ein Kurs, den die Metro-Aktie in den letzten Jahren nie gesehen hat. Auch dieses Angebot hatten Sie als zu niedrig zurückgewiesen. Haben Sie die Aktionäre falsch beraten?In unserer Überzeugung mit Sicherheit nicht. Auch damals haben wir den mittel- bis langfristigen Wert der Metro oberhalb der gebotenen 16 Euro gesehen. Im Gesamtkontext ist das richtig, wenn wir uns anschauen, wie wir bis Mitte Februar sowohl strategisch als auch operativ vorangekommen sind. Es ist sicher fair zu sagen, dass auch wir die Pandemie nicht vorhersagen konnten. Jetzt haben wir eine andere Situation, in der wir ein anderes Angebot bewerten, wenngleich das gleiche Ergebnis herauskommt. Trotz der schwierigen Situation gewinnen wir Marktanteile, und auch wenn der Umsatz nominal zurückgeht, konnten wir im vierten Quartal wieder annähernd Vorjahresniveau erreichen. Russland ist beispielsweise wieder auf Wachstumskurs. Grundsätzlich stehen wir besser da als relevante Wettbewerber. Vor Jahren haben Sie erklärt, Metro werde vom Kapitalmarkt noch nicht als reinrassiger Großhändler bewertet. Jetzt hat sich Metro zu diesem gewandelt, und die Bewertung hat sich verringert. Wieso?Das ist richtig. Wir haben jetzt alle Voraussetzungen geschaffen, um uns am Kapitalmarkt als Großhändler zu positionieren. Ironie der Geschichte ist aber, dass wir uns jetzt in der Gesellschaft der Großhandelskonzerne befinden, die allesamt unter dem krisenbedingten Einbruch in Gastronomie und Hotellerie leiden. Wir setzen darauf, dass sich unsere Zielkundengruppe HoReCa (Hotels, Restaurants, Catering, Anmerkung d. Red.) nach der Pandemie wieder dynamisch entwickelt und das Außer-Haus-Essen weiterhin eine große Relevanz hat. Die sehr schnelle Erholung der HoReCa-Umsätze im Verlauf des dritten und vierten Quartals 2019/20 impliziert, dass wir damit recht haben. Wie verstehen Sie sich mit Daniel Kretinsky und Marco Arcelli, dem Vertreter von EPGC im Aufsichtsrat der Metro? Worum geht es EPGC?Wir arbeiten mit den Herren Kretinsky und Arcelli sehr professionell zusammen. Es gibt nichts zu bemängeln. Die Antwort auf die Frage nach den genauen Zielen ist für uns jedoch nicht vollständig klar. Wir sehen aber, dass EPGC unsere Strategie sehr umfassend unterstützt. Wie aus der Stellungnahme hervorgeht, haben Sie neben Olaf Koch in Ihrem Vertrag ein Sonderkündigungsrecht im Falle des Kontrollwechsels. Wie wird der Kontrollwechsel definiert, und wie würden Sie gegebenenfalls agieren?Ich würde das Thema nicht so hoch hängen. Meinerseits besteht großes Interesse, das Unternehmen zusammen mit meinen Vorstandskollegen auch in Zukunft voranzubringen. Die vertragliche Situation tut dabei nichts zur Sache. Herr Koch tritt zum Jahresende auf eigenen Wunsch zurück. Die Nachfolge ist noch nicht geklärt. Stünden Sie als CEO zur Verfügung?Das ist eine Frage, die sich für mich nicht stellt, sondern die der Aufsichtsrat beantworten muss. Unser Aufsichtsratsvorsitzender Jürgen Steinemann hat einen Nachfolgeprozess angestoßen, bei dem auch wir als Vorstand bezüglich der Spezifikation und der wesentlichen Kriterien eines/r neuen CEO befragt wurden. Wir als Vorstand fühlen uns an dieser Stelle gut abgeholt. Es ist wichtig, in einer solchen Situation als Team zu agieren und nach außen wie nach innen die Stabilität weiterhin aufrechtzuerhalten und zu stärken. In Ihrer Stellungnahme heben Sie auch darauf ab, dass EPGC über Swap-Geschäfte die 30-Prozent-Schwelle im Prinzip schon überschritten hat, und kündigen an, eine etwaige Melderechtsverletzung zu überprüfen, falls Stimmrechte aus diesen Aktien zum Einsatz gebracht werden. Wie ist das zu verstehen?Im Übernahmerecht sind viele Dinge eindeutig geregelt, manche aber auch nicht. Wir gehen davon aus, dass EPGC gesetzeskonform vorgegangen ist. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Wie stark ist nach Ihrer Einschätzung das Commitment der beiden Poolaktionäre Meridian Stiftung und Beisheim Holding?Wir nehmen die Vertreter dieser beiden Großaktionäre als große Unterstützer unseres Kurses wahr. Wir haben natürlich auch gesehen, dass die beiden Gründungsaktionäre ihre Anteile im Zuge der ersten Übernahmeofferte gepoolt und weitere Anteile erworben haben. Das ist sicherlich ein starker Hinweis darauf, das Managementteam und das Unternehmen in seiner Richtung zu unterstützen. Metro wird im Geschäftsjahr 2019/20 (30. September) verursacht durch die Pandemie voraussichtlich rote Zahlen im fortgeführten Geschäft schreiben. Dennoch haben Sie schon im Sommer Dividendenkontinuität in Aussicht gestellt. Wie passt das zusammen?Die Dividende hängt zum einen von der Schüttungsfähigkeit, zum anderen aber von der Cash-flow- und Liquiditätssituation ab. Durch die beiden großen Transaktionen mit Real und China haben wir einen Nettomittelzufluss von 1,9 Mrd. Euro erzielt. Damit sind grundsätzlich die Voraussetzungen für Dividendenkontinuität geschaffen. Aber klar ist auch, dass die Hauptversammlung auf Basis des Vorschlags von Vorstand und Aufsichtsrat über die Dividende entscheidet. Mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen in Europa kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass der schlimmste Teil der Krise schon hinter uns liegt. Muss Metro nicht mit der Rückkehr zu einer dem Frühjahr vergleichbaren Situation rechnen?Wir beobachten die Situation natürlich sehr genau. Gerade in den für unser HoReCa-Geschäft wichtigen Märkten wie Italien, Frankreich und Spanien hat sich die Situation in den letzten Wochen verschärft. Wir haben aber eine gute Art und Weise zum Umgang mit der Situation gefunden. Im Vordergrund stehen bei uns drei Themen: protect, preserve und grow. Können Sie das erläutern?Es geht um Sicherheit beim Einkauf, eine proaktive Cash-flow-Steuerung – gerade, was die Forderungen unserer Gastronomiekunden betrifft – und letztlich die Frage, wie wir trotzdem auch wieder wachsen können. Das ist uns im Sommer gut gelungen, wie sich an den Marktanteilsgewinnen gegenüber unseren Wettbewerbern zeigt. Dank unseren unterschiedlichen Kanälen wie den Metro-Märkten, dem Online-Marktplatz und unserem Belieferungsgeschäft verfügen wir hier im Vergleich zu reinen Belieferungsunternehmen über ausreichend Flexibilität. Von daher bin ich ganz zuversichtlich, dass wir mit der neuen Gemengelage gut umgehen können. Wenn es erneut zu einem weiträumigen Lockdown kommt, bringt Ihnen Flexibilität bei der Bestellung wenig. Können Sie einen Ausgleich schaffen?Wir können uns sicher nicht komplett von einem Markt abkoppeln, in dem wie im April europaweit alle Restaurants und Hotels geschlossen sind. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Allerdings haben wir durch die verschiedenen Kundengruppen und Geschäftsmodelle eine gewisse portfolioimmanente Balance. In der Situation, in der die HoReCa-Kunden deutlich eingeschränkt sind, haben sich die Trader, also die unabhängigen Händler, besonders gut entwickelt. Das gilt bis zum heutigen Tag. Seit Ausbruch der Pandemie haben wir einen sehr guten Wachstumsschub bei unseren Trader-Kunden gesehen. Doch wenn die Restaurants geschlossen sind, wird auch unser Geschäft beeinträchtigt. Wo geht es nach dem Rückzug auf den Großhandel strategisch hin?Wir haben zwei wesentliche Kundengruppen – das HoReCa-Cluster in West- und Südwesteuropa und in Osteuropa das Convenience-Cluster, das sich stark an Kiosken und Ähnlichem ausrichtet. In beiden Clustern zielen wir darauf ab, unseren Anteil am Kundenumsatz, dem sogenannten Share of Wallet, zu erhöhen. Was meinen Sie damit?Bei HoReCa betrifft das nicht nur Produkte, sondern auch Services, sei es digital oder beispielsweise auf der Finanzierungsseite, etwa wenn es um die Anschaffung von Großgeräten geht. Bei den Tradern versuchen wir, das Franchise-Modell weiter auszurollen. Das sind unsere Stoßrichtungen, was das organische Wachstum anbelangt. Daneben suchen wir in beiden Clustern nach selektiven Zukäufen oder Kooperationen. Bestes Beispiel ist unsere jüngst angekündigte Akquisition in Portugal. Dort erwerben wir den zweitgrößten Lebensmittellieferanten. Die Wandlung zum reinrassigen Großhändler war für Metro mit der kostspieligen Trennung von Real verbunden. Können Sie sagen, was Sie der Rückzug unter dem Strich gekostet hat?Mit unserer Portfoliotransformation können wir uns nun komplett auf den professionellen Großhandel fokussieren und haben bereits in vielen Ländern eine attraktive Marktposition erarbeitet. Die wichtigste Perspektive im Zusammenhang mit Real ist, dass wir am Ende eine für uns Cash-flow-positive Transaktion erzielt haben. Wir haben ein Unternehmen verkauft, das uns jährlich 250 bis 300 Mill. Euro an negativem Cash-flow gebracht hat. Das müssen wir künftig nicht mehr finanzieren, und wie viel Fokus und Flexibilität uns diese Transformation bringt, sieht man bereits in der Bewältigung der Pandemie – und das wird auch von Analysten anerkannt. Das Interview führte Annette Becker.