Pandemie zwingt Luftfahrtbranche in die Knie

Erneute Einschränkungen belasten - Ryanair kappt Winterflugplan - Slot-Regeln bis Ende März 2021 außer Kraft

Pandemie zwingt Luftfahrtbranche in die Knie

Angesichts steigender Infektionszahlen und verschärfter Reisebeschränkungen funkt die Luftfahrtbranche SOS. Ryanair kappt den Winterflugplan, der Lufthansa-Aktienkurs sackt ab, viele Flughäfen kämpfen ums Überleben. Ein kleiner Lichtblick ist, dass die strengen Slot-Regeln noch länger ausgesetzt bleiben.Von Lisa Schmelzer, FrankfurtGute Nachrichten für die krisengebeutelte Airline-Branche: Die EU-Kommission hat die Aussetzung der Vorgaben für die Nutzung von Start- und Landerechten an Flughäfen (Slots) wegen der Corona-Pandemie bis Ende März verlängert. Die Pandemie habe weiter beträchtliche Auswirkungen auf den Luftfahrtsektor, erklärte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Es sei “unglücklicherweise wenig wahrscheinlich, dass der Verkehr in naher Zukunft wieder steigt”. Mit der Verlängerung sollten zudem unnötige Umweltbelastungen verhindert werden.Airlines müssen die ihnen zugestandenen Start- und Landerechte an großen Verkehrsflughäfen während eines Flugplans normalerweise zu 80 % tatsächlich nutzen, um in der Flugplanperiode des Folgejahres ihr Recht darauf zu wahren. Zahlreiche Airlines strichen wegen des Coronavirus aber einen Großteil ihrer Flüge. Wirtschafts- und Umweltverbände hatten deshalb vor massenhaften “Geisterflügen” ohne Passagiere gewarnt. Im März beschloss die EU-Kommission daraufhin, wegen der Corona-Pandemie die Slot-Regeln bis zum 24. Oktober auszusetzen. Dies wurde nun bis zum 27. März verlängert, wie die Kommission mitteilte. Airlines verlieren damit ihre bisherigen Start- und Landerechte nicht, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung. Laut EU-Kommission lag die Zahl der Flüge im September um 54 % unter dem Vorjahresniveau. Es wird in Brüssel davon ausgegangen, dass die Verkehrszahlen auch noch im Februar 2021 um 50 % unter dem Vorjahr liegen werden.Den wieder wachsenden Pessimismus bekam auch die Aktie der Deutschen Lufthansa zu spüren. Wegen Befürchtungen, es könne zu einem erneuten Lockdown in Deutschland kommen, gab das Papier nach Handelsbeginn fast 7 % nach, schloss aber etwas erholt 3,2 % schwächer.Auf die nach dem Hochschnellen der Infektionszahlen wieder deutlich zurückgegangene Nachfrage reagiert hat gestern die Billigfluggesellschaft Ryanair. Die Iren kündigten an, den Winterflugplan weiter zusammenzustreichen. Von November bis März wird Ryanair voraussichtlich nur rund 40 % des Angebots aus dem vergangenen Winter fliegen. Bisher hatte das Management rund 60 % angepeilt. Ryanair begründete die Kürzung damit, dass sich der Rückgang der Ticketbuchungen für November und Dezember verschärft habe. Die Fluglinie hatte das Flugprogramm schon für Oktober auf 40 % zusammengestrichen. Derzeit bleiben in den Flugzeugen auch deutlich mehr Sitze leer. Ryanair erwartet eine Auslastung von etwa 70 %, im vergangenen Jahr waren die Maschinen noch zu 95 % besetzt gewesen.Bedrohlich ist die Lage bei vielen Flughäfen in Deutschland, die seit Monaten kaum Geschäft machen. “Durch den dramatischen Verkehrseinbruch sind viele Flughäfen in ihrem Fortbestand gefährdet”, so warnte der Hauptgeschäftsführer des deutschen Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel, Mitte der Woche. Erste Airports mussten ihre meist staatlichen Gesellschafter bereits um Finanzhilfe bitten. Finanzpolster schmelzenEinig sind sich Branchenvertreter, dass die Nachfrage vor allem nach Privatreisen nach der Coronakrise schnell und signifikant zurückkommen wird. Doch die entscheidende Frage ist: Wann ist die Coronakrise zu Ende? Und wie lange können die einzelnen Unternehmen eine derart fundamentale Krise überleben? Manche Firmen haben sich am Anfang der Krise ihrer guten Liquiditätsausstattung gerühmt, doch auch das dickste Finanzpolster ist irgendwann abgeschmolzen.Das touristische Reisegeschäft – auf das 2019 laut dem Analysehaus Bernstein 71 % der Reisen entfielen – werde von Konsumenten mit höherem Einkommen angetrieben, so die Analysten. Bei diesen seien die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 deutlich weniger gravierend und sie wollten vermutlich nach Ende der Corona-Pandemie schnell “dem elenden Jahr 2020 entfliehen”, vermutet Bernstein. Deutlich pessimistischer fällt die Einschätzung für das Geschäftsreisesegment aus, das gerade den Netzwerk-Airlines in der Vergangenheit einen Großteil ihrer Gewinne sicherte. Dort könnte die Nachfrage angesichts niedrigerer Unternehmensgewinne und veränderter Arbeitsgewohnheiten strukturell sinken, also womöglich auf lange Sicht. Auch nach der Krise werden Fluggesellschaften – die, die überlebt haben – damit konfrontiert sein, dass sich ihr Passagiermix dauerhaft von den spendableren Geschäftsreisenden hin zu den preissensiblen Privatreisenden verschiebt. Bernstein erwartet, dass sich der Anteil der Geschäftsreisen von 29 % der Reisen auf 27 % reduziert. Zusätzlich Druck aufgebaut werden könnte dadurch, dass die Unternehmen verstärkt über den Preis um Kunden werben.Weil am Ende vor allem die einkommensstärkeren Passagiere zuerst in die Flugzeuge zurückkehren dürften, sieht Bernstein die Premium-Anbieter – etwa Lufthansa, IAG und Air France-KLM – im Vorteil. Bei den Billigfluggesellschaften Ryanair, Wizz und Norwegian könnte es sich dagegen negativ auswirken, dass die einkommensschwächeren Haushalte ihre Ausgaben für Flugreisen längere Zeit zurückfahren müssen.Allerdings hatte es zu der möglichen Entwicklung auch schon die genau gegenteilige Prognose gegeben, dass nämlich von der Erholung nach der Krise vor allem die Low-Cost-Carrier profitieren könnten. Denn diese sind nahezu komplett auf das touristische Geschäft fokussiert und haben bereits das entsprechende Angebot im Gepäck, was nach der Coronavirus-Pandemie von den Kunden abgefragt werden dürfte. Dagegen haben die Premium-Anbieter das Privatreisegeschäft zum Teil gerade erst für sich entdeckt und sind hier noch im Auf- und Ausbau begriffen – wie die Lufthansa mit ihrer Tochter Eurowings. – Wertberichtigt Seite 6