LEITARTIKEL

Letzte Chance

Europa will im Zahlungsverkehr endlich den global agierenden Technologieriesen, die sich zunehmend im mobilen und digitalen Bezahlen ausbreiten, Paroli bieten. Die Herausforderung ist immens. Der US-Online-Bezahldienst Paypal ist schon lange...

Letzte Chance

Europa will im Zahlungsverkehr endlich den global agierenden Technologieriesen, die sich zunehmend im mobilen und digitalen Bezahlen ausbreiten, Paroli bieten. Die Herausforderung ist immens. Der US-Online-Bezahldienst Paypal ist schon lange etabliert. Apple hat ihr mobiles Bezahlsystem Apple Pay bereits 2014 in den USA eingeführt und im Dezember 2018 in Deutschland. Google Pay, seit 2015 lange nur in den USA verfügbar, startete in Deutschland im Juni 2018 sogar noch vor Apple Pay.Der Kern der mobilen Bezahlverfahren von Apple und Google sind virtuelle Zahlungskarten, wie sie zuvor von den großen Kartendienstleistern Mastercard und Visa entwickelt wurden. Mastercard und Visa – eigentlich Konkurrenten – haben gemeinsam globale Standards entworfen wie den EMV-Kontaktlos-Standard, um eine Zahlung vom Smartphone mit NFC-Chip via virtuelle Karte durchzuführen. Mehrere virtuelle Karten lassen sich auch in den Wallets speichern und für Online-Transaktionen einsetzen. Voraussetzung ist die ebenfalls von Visa und Mastercard entwickelte Sicherheit durch Tokenisierung, wobei die sensiblen Kartendaten bei jeder Transaktion durch ein Token ersetzt werden.Jedoch funktionieren die Bezahlverfahren Apple Pay und Google Pay nicht ohne eine Bank, denn die in der App hinterlegte Karte muss zwingend von einer Bank herausgegeben werden, mit der Google bzw. Apple zusammenarbeiten. Die deutsche Kreditwirtschaft hat sich lange gesträubt, Tür und Tor den Internetgiganten zu öffnen. Nur wenige Banken wagten anfangs den Schritt und erlaubten ihren Kunden zunächst nur Kreditkarten, einige dann auch virtuelle Debitkarten von Mastercard oder Visa in der Bezahl-App von Google bzw. Apple Pay zu hinterlegen. Doch der Druck ist zu groß, denn die in Deutschland am meisten verbreitete Zahlungskarte ist die Girocard. So besitzen nur etwa ein Viertel der Sparkassen-Kunden eine Kreditkarte, aber mehr als 95 % aller Deutschen eine Girocard. Deshalb bieten seit Mitte 2018 Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken ihren Kunden eine App für Android-Smartphones an. Nutzer können hier nicht nur die Daten ihrer Kreditkarte, sondern auch die ihrer Girocard hinterlegen. Auch andere Institute haben ebenfalls eine entsprechende Funktion zum mobilen Bezahlen in ihre Banking Apps integriert. Das ist zwar schon ein Meilenstein, doch das Problem ist, dass die Girocard außerhalb Deutschlands nur begrenzt einsetzbar ist. Derweil haben die Sparkassen angekündigt, dass sie noch in diesem Jahr die Girocard für Apple Pay freischalten wollen, auch Volks- und Raiffeisenbanken dürften bald folgen.Doch es geht um Geld, Daten und Kundenbindung, die ohne eigenständige Girocard für die deutsche Kreditwirtschaft verloren gehen. Google betont zwar, dass sie an Google-Pay-Zahlungen an der Kasse nicht mitverdient. Allerdings gehen Gebühren wie üblich an die Kreditkartenunternehmen Mastercard und Visa. Google versucht aber mit dem Zahlungsdienst, Kunden stärker an sich zu binden, damit diese Käufe etwa im Play Store tätigen, wo Google dann eine Transaktionsgebühr einzieht. Auch werden Daten gesammelt über Kaufzeitpunkt, Ort und Summe. Apple schneidet sich zusätzlich eine Marge bei den Banken heraus.Vor diesem Hintergrund versuchen nun europäische Banken zu retten, was geht. Es ist die letzte Chance, nachdem zuvor Initiativen am Beharren auf nationalen Besitzständen scheiterten oder schlicht an technischer Inkompatibilität. Dies könnte jetzt anders sein, denn die European Payment Initiative (EPI), deren Ziel es ist, in den nächsten Monaten die künftigen europäischen Bezahlverfahren zu definieren und den Aufbau einer Zielgesellschaft vorzubereiten, hat dafür jetzt eine Interimsgesellschaft gegründet. Über die Notwendigkeit europaweiter Lösungen und einer Bündelung der eigenen Bezahlverfahren ist man sich in Deutschland einig. Eng mit der EPI ist in Deutschland auch das Projekt Digitale Kreditwirtschaft (#DK) verknüpft, um die nationalen Bezahlverfahren Paydirekt, Giropay und später auch Kwitt und die Girocard unter einer Marke zusammenzuführen und sie später in die europäische Initiative EPI zu integrieren – eben ohne Mastercard und Visa, Google und Apple Pay.Noch sind es beim europäischen Vorhaben EPI allerdings erst fünf Teilnehmerländer. Um sukzessive alle EU-Mitgliedstaaten anzuschließen, bedarf es erheblicher Überzeugungsarbeit. Die Zeit drängt, denn die Coronakrise hat dem kontakt- und bargeldlosen Bezahlen enormen Auftrieb verschafft und damit auch Apple und Google Pay.——Von Karin BöhmertDie European Payment Initiative ist die letzte Chance, mit einem europäischen Bezahlverfahren den globalen Technologieriesen Paroli zu bieten.——